Eine biographische Skizze.
Von
Dr. Friedrich Kenner,
Kustos am k. k. Münz- und Antikenkabinete.
Separatabdruck
aus der Oesterreichischen Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches
Leben (Unter verantwortlicher Redaktion von Dr. Leopold Schweizer.) Nr. 10, 11 und 12.
Wien 1863.
Druck und Verlag der kaiserlichen Wiener Zeitung.
Porträt von Karl Kreil im Physikalischen Kabinett Inv. Nr. 11110507 Foto: P. Amand Kraml |
Foto anlässlich der Aufstellung des Vertikalkreises,
August 1861 Inv. Nr. 15010313 Foto: P. Sigmund Fellöcker |
Kreil wurde am 4. November 1798 zu Ried in Oberösterreich geboren; sein Vater Franz Sales war bei dem k. k. Kreisamte in diesem Orte als Kommissär in Schulangelegenheiten angestellt. Da an dem genannten Tage – dem Festtage des h. Carolus Borromäus – Erzherzog von Oesterreich auf seiner Reise in das Lager der deutschen Armee (zu Friedberg in Baiern) durch den Ort ging, war es für den kernigen Patriotismus von Kreils Vater eine ausgemachte Sache, daß sein jüngstes Söhnchen auf den Namen dieses ruhmreichen Feldherrn getauft werden sollte; so geschah es auch. Es war ein ruhiges, gemüthliches Familienleben, in welches die älteste Erinnerungen Kreils zurückreichten, obwohl der beschränkte Hausstand den Vater der zahlreichen Familie zu genauer Ordnung zwang und das Zusammenwirken aller Glieder derselben erforderte. Sie stammte aus dem Bauernstande, noch der Großvater unseres Kreil war der rechtschaffene und fleißige Bauer auf dem „Kreil-Gute“ in Hantenberg bei St. Georgen am Vielmannsberge im Innviertel. In der Familie seines Sohnes lebte die fromme und ehrliche Einfachheit der Voreltern fort; das lebhafte Interesse für den Landbau, für die Witterung, und eine gewisse Ehrfurcht für die Segnungen des Ackerbodens, dann die Freude und den offenen aufmerksamen Sinn für die Natur und die Ereignisse in derselben mochte der kleine Knabe aus den überlieferten Anschauungen der Familie in sich aufgenommen haben. Auch war das Leben in jenem Orte mehr ein ländliches zu nennen. Das Gedeihen der Frucht in den getreide- und obstreichen Fluren, die damit verbundene regelmäßige und erfolgreiche Arbeit der Menschen, der Zusammenhang derselben mit den Erscheinungen des Himmels, endlich die kluge Ordnung im Innern des Hauses waren die ersten und haftendsten Eindrücke seiner Kindheit, die fort und fort wirkten und ihn in der späteren Periode seines Strebens wieder in ihr Gebiet zurückzogen. Den ersten Unterricht erhielt er in der Hauptschule zu Ried und nachdem sein Vater als Kreiskommissär nach Wels versetzt worden war (1808), in der Hauptschule dieses Ortes. In jenes Jahr fällt die erste seiner Wanderungen, die er späterhin so oft unternahm, um die gepriesenen Schönheiten der Natur kennen zu lernen. Er mochte nämlich viel von dem ziemlich entfernten Traunfalle reden gehört haben; eines schönen Sommertages zog der kleine Kreil ohne Kenntnis des Weges und ohne Vorwissen der Eltern den Fluß entlang aufwärts, bis er vor dem schönen Schauspiele stand. Der Aufenthalt in der freien Natur, besonders Wanderungen, waren ihm das liebste; auch in den Ferien und späterhin bei seinen Reisen hing er dieser Neigung häufig nach.
Den heranwachsenden Jüngling nahm die alte Bildungsschule von Biedermännern, das k. Konvikt zu Kremsmünster auf (1810 bis 1819), in welchem er einen Freiplatz erhielt (1812). Dies war für sein Leben ein entscheidendes Ereigniß, da ihn sonst die kargen Mittel des Vaters in eine untergeordnete Laufbahn gedrängt haben würden. Im Konvikte machte er die sechsjährigen Gymnasial (bis 1816) und die dreijährigen Lycealstudien, die sogenannten philosophischen (bis 1819); die Aufgaben, welche hier seiner warteten, gaben dem reifenden Geiste Gelegenheit, sich in seiner Eigenthümlichkeit zu zeigen, und in der That finden wir zwei Eigenschaften hervortreten, die weiterhin für sein ganzes Leben die Grundpfeiler seiner Leistungen geblieben sind und uns erklärlich machen, wie er den Muth bekam seinen späteren Arbeiten den kolossalen Umfang zu geben, in welchem sie sich ausbreiteten. Da zeigte sich erstlich eine große Sparsamkeit mit der Zeit, die er durch Einhaltung einer genauen Ordnung und Regelmäßigkeit verlängern zu können schien. Dann war das darauf begründete ruhige, gleichmäßige, unermüdliche Fortarbeiten, das so vielfach die Aufmerksamkeit seiner Lehrer und das Staunen seiner Genossen erregte. Darin ließ er sich durch nichts irre machen, er blieb unwandelbar fest darauf bestehen von seinen frühesten bis ins letzte Jahr seines Lebens; es sprach sich darin die große Kraft des Willens aus, die ihm in reichem Maße angeboren war und die er fortwährend ausbildete. Er hat sich daher nie „überstudirt“ oder sich für die außer seinem Kreise liegenden Dinge abgestumpft, vielmehr hat er die Frische und Heiterkeit seines Geistes bewahrt, ohne Eintönigkeit über immer neue Erfahrungen und Kenntnisse sich verbreitend, die er wie innere Erlebnisse in den Geist und das Gemüth aufnahm. Er hat daher auch mit Leichtigkeit seine Studien bewältigt, so daß er den ersten Platz unter den Genossen, welchen ihm sein vielverehrter Lehrer P. Wilhelm Eder in der untersten Klasse „weitaus“ zuerkannte (facile primus factus“, heißt es im Zeugnisse), fort und fort beibehielt und in seinen Zeugnissen durchweg Eminenzen stehen. Er übte nebenher die Dichtkunst, die Musik, besonders das Flötenspiel, ebenso das Zeichnen, fremde Sprachen und die Literatur. Da waren es namentlich die altgriechischen und altdeutschen Heldenlieder in denen ihm der Kampf großartig angelegter Charaktere, die unverfälschte Gewalt ihrer Erscheinungen neben den vielen eingestreuten zarten Zügen der Liebe und Freundschaft besonders zusagten; unter den Prosaikern liebte er zumeist jene, deren Schriften recht unmittelbar in das Leben ihrer Zeit einführten. Aber am liebsten hing der dem Studium der Naturwissenschaften nach; in ihm fand er die Erklärungen für die Beobachtungen auf seinen Spaziergängen, die ersten Eindrücke seiner Kindheit fanden hier neue Nahrung. Die Konsequenz in der Ordnung der Natur stimmte mit jener seines eigenen Wesens überein; so ging auch ihr Studium recht in Fleisch und Blut über; er studirte selbstständig, lebendig und vom Grund aus individuell gestaltend das, was er aufgenommen hatte. Es ist daher begreiflich, daß der Physiker der Abtei P. Bonifazius Schwarzenbrunner ihn in mancher Beziehung auszeichnete; jener war selbst dem Studium der Astronomie so sehr ergeben, daß er dadurch eine Gehirnkrankheit sich zuzog und über die Unmöglichkeit ein förderliches Instrument zu erhalten, was ihm wegen zu großer Kosten abgeschlagen wurde, in Irrsinn verfiel und starb (1830). Dieser gelehrte Mann, scheint es, hat an der wissenschaftlichen Entwicklung Kreils einen großen Antheil. Er zog ihn zu seinen astronomischen Beobachtungen bei, ließ ihn an der einer Sonnenfinsterniß theilnehmen und Zeichnungen ausführen, die in sein Fach einschlugen. Auch wurden in dem Stifte seit 1762 meteorologische Beobachtungen gemacht, die Kreil gleichfalls kennen lernte und mit Interesse verfolgte. So war der „mathematische Thurm“ in Kremsmünster die Stätte, an welcher er zuerst in jenen Fächern arbeitete, in denen er später den Beruf seines Lebens erkannte.
Noch eines Zuges müssen wir gedenken, den die Benediktiner von Kremsmünster in ihm herausgebildet haben. Der innige kameradschaftliche Sinn, der bei der Jugend Oberösterreichs als ein spezifisches Merkmal der „Kremsmünsterer Studenten“ galt, fand in seinem tiefen duldsamen Gemüthe einen guten Boden. Wie ihm früher in der Familie wegen seiner stillen und treuen Anhänglichkeit die Liebe aller zu Theil wurde, so folgte ihm jetzt in dem größeren Kreise gleichgesinnter Genossen die Achtung Aller. Im Zusammenleben der Konviktisten ergaben sich manche Fälle, in denen seine ruhige Festigkeit und aufrichtige Theilnahme wohltat; der schlichte Student gab sich trotz der großen Eindrücke und Gedanken, die er hegte, ungeachtet der erfahrenen Auszeichnungen geradehin so wie er war, ohne Blendwerk, treu und echt; er wurde auch das thatkräftige, einigende Glied einer freundschaftlichen Verbindung, deren Fäden in diese Zeit zurücklaufen und die sich weit über die Jugend hinaus erhielt.
So einfach und gewöhnlich das Studentenleben innerhalb der Klostermauern scheinen mochte, für Kreil schloß mit dem Austritte aus denselben eine schöne reiche Periode ab, voll von Erinnerungen an die kleinen Anfänge, die er als schüchterner Knabe in die Camerata mitgebracht, die er hier Jahr um Jahr mehr ausgebildet hatte mit dem Vorsatze, einmal etwas Tüchtiges für das gemeine Wohl zu leisten; denn schreibt er in einem Briefe aus jener Zeit, „das sei vom Nord- bis zum Südpol des Mannes Pflicht“. Das Kloster entließ im Jahre 1819 den liebgewordenen Zögling mit dem Rufe eines kenntnißreichen, vortrefflichen jungen Mannes. Der Abschied ergriff seine ganze Seele; die Abtei, sagte er in einem späteren Briefe, sei ihm eine ganze Welt gewesen, so sehr, daß ihm darüber die Heimath fast fremd wurde, und eine trockene Aufzählung der wichtigsten Begebenheiten seines Lebens, die sich in seinem Nachlasse fand, unterbricht er an zwei Stellen mit dem Ausdrucke eines warmen lebhaften Gefühles; die eine ist dem Aufenthalt in Kremsmünster gewidmet, „an den ich mich“ heißt es, „noch immer mit dem Gefühle einer gewissen Sehnsucht erinnere, das eine angenehm und ruhig verlebte Jugendzeit zurückläßt“. Auch in der Abtei blieb die Erinnerung an ihn lange Zeit hindurch wach; es war ihr Stolz, als sein Name durch die magnetischen Forschungen einen weitverbreiteten Ruf erhielt, daß er in ihren Hallen die ersten Grundlagen seiner wissenschaftlichen Ausbildung erfahren habe. Kreil besuchte das Stift in den letzten Ferien noch oft und gerne.
Inzwischen war die Verordnung herausgekommen, daß den Konviktisten, wenn sie sich juridischen oder medizinischen Studien widmen würden, der zum Lebensunterhalte nöthige Betrag als Stipendium auf die Hand ausgezahlt werden dürfe. Dieser Umstand nöthigte Kreil, sich an der juridischen Fakultät in Wien immatrikuliren zu lassen. Er hörte die obligaten Fächer, darunter das römische und Kirchenrecht von Dolliner, das Lehenrecht von Wagner, die politischen Wissenschaften von Kudler u. s. f. Der Wunsch seiner besorgten alten Mutter „Gott führe Dich unter gute und liebevolle Menschen“ oder „Gott segne Dich, lieber Sohn und lasse Dich immer in Weisheit und Liebe unter guten Menschen wandeln, wo Friede und Sanftmuth herrscht“, war schon im Jahre 1821 in Erfüllung gegangen, indem Kreil damals als Erzieher in das Haus des Hofrathes der k. k. Staatskanzlei (jetzt geheimen und Staatsrathes) Freiherrn von Lebzeltern kam. Die zweite Stelle, von der wir oben sagten, daß er mit ihr den trockenen erzählenden Ton in der kleinen Autobiographie mit einem wärmeren unterbrochen habe, gilt „diesem Ehrenmanne, dem ich“ heißt es dort, „für die väterliche Liebe und Theilnahme, die er mir während und noch lange nach dieser Periode erwies, mein ganzes Leben hindurch dankbar sein werde“. Durch acht Jahre blieb er in dessen Hause; es war hier wohl die gegenseitige aufrichtige Hochachtung, welche eine freundliches Verhältnis begründete. Seine ruhige Festigkeit, die Klarheit des Geistes, die Milde und Heiterkeit seiner hochgebildeten, aber einfachen und starken Seele gewann ihm die Gemüther der Zöglinge nicht blos für die genannte, sondern noch für eine lange Zeit nach der Trennung, wovon die Korrespondenz des jüngeren Freiherrn von Lebzeltern (dermalen k. k. Gesandten am k. portugiesischen Hofe) mit seinem Erzieher ein beide Männer gleich ehrendes Zeugniß ablegt.
Den Rechtsstudien widmete er sich mit gewohnter Beharrlichkeit; aber sie stimmten mit seiner Neigung nicht recht überein; er hatte schon zu viel von den stillen Freuden der rein wissenschaftlichen Beschäftigung genossen und hat erkannt, wie tief diese mit seinem ganzen Wesen übereinstimme. Als daher die Zeit der definitiven Wahl seines Berufes heranrückte (1823), entschloß er sich, ungeachtet er die vierjährigen juridischen Studien schon vollendet hatte, zum Studium der Mathematik und Physik zurückzukehren. Wir können daraus entnehmen, wie laut der Ruf der Muse in seiner Brust getönt habe; er, der so sparsam mit seiner Zeit umging, der auf eine baldige Versorgung angewiesen war, dem der unverzögerte Eintritt in den Staatsdienst den Gewinn mehrerer Jahre versprach, entschloß sich in jenem Zeitpunkte wieder von vorne anzufangen, in welchem alle seine Kollegen die Säle der alma mater für immer verließen. Ueberhaupt war mit dem Jahre 1823 ein tiefer Abschnitt in seinem Leben eingetreten; in demselben starb sein verehrter Vater in Linz, wohin er 1816 als Regierungssekretär versetzt worden war. Auch der enge Kreis seiner Freunde aus dem Konvikte (Kürsinger, Kahl, R. von Grimburg, Aigner, Mayrhofer, Schleifer) war auseinandergegangen. Sie hatten in Wien viel zusammen gelebt und im gegenseitigen Austausch die Gedanken und Gefühle der großen Periode eines jeden jungen Menschen, der Jahre der Hochschule, getheilt; ihre Verbindung war noch enger geworden durch den gemeinsamen Genuß des Schönen und Guten, das die reichen Schätze der Hauptstadt boten, und durch die Mittheilung der Pläne und Entwürfe für – der Ansichten vom Leben, in denen der Ton einer durchaus edlen und hohen Bildung herrschte. An dem festlichen Abend des 30. April 1823 mochte die Nähe ihrer Trennung eine feierliche Aufregung hervorgebracht haben, sie versprachen sich nach Ablauf von zehn Jahren um dieselbe Zeit einander zu schreiben. In der That finden sich von allen Freunden die betreffenden Briefe vom Jahre 1833 vor; sie sind aus Smyrna, Spalato, Mailand, Enns und Steier datirt und enthalten manches weihevolle Wort der Erinnerung für ihr Zusammenleben in Wien.
Kreil stand nun an einem bedeutungsvollen Wendepunkte seines Lebens. Die Bahn, die er aus freier Wahl betreten hatte, hielt er fest für alle Zeit; von nun an war ihm die Wissenschaft das höchste, und er der unbedingt ihr angehörende Jünger geworden. Er hörte die Vorlesungen über höhere Mathematik und Astronomie von J. J. von Littrow und die Physik von A. von Ettingshausen durch drei Jahre (1823 bis 1827). Zumal mit dem Ersteren ist er in freundlichem, lange andauerndem Verkehre geblieben, den von Seite des Schülers eine tiefgefühlte Hochachtung, von Seite des Meisters die Anerkennung und schlichte Biederkeit warm erhielten. Nachdem er seine sechszehnjährigen Studien vollendet hatte, zeigte es sich schon, daß ihm eine große amtliche Laufbahn nicht beschieden sei. Der durch und durch wissenschaftlich gebildete junge Mann, der sich auf eminente Zeugnisse aus allen Studienjahren berufen konnte, wurde nach einander mit drei Bewerbungen um Lehrkanzeln an den Lyceen zu Salzburg, Laibach und Graz abgewiesen. Es war noch ein Glück für ihn, daß er durch die Verwendung des Direktors von Littrow die bescheidene Stelle eines Assistenten an der Wiener Sternwarte auf vier Jahre erhielt (August 1827), an welcher er sich durch täglichen Besuch vorbereitet hatte. Schon in den ersten Jahren seiner Thätigkeit an der Sternwarte entwickelte er rasch seinen literarischen Charakter mit all den spezifischen Zügen, die ihm eigen waren und in seiner Ausdauer, Selbstständigkeit und überraschenden Kombinationskraft wurzelten. Zunächst erschien er wie geschaffen für Beobachtungen. Die zur zweiten Natur gewordene Ordnung in der Benützung der Zeit, die Genauigkeit, das Interesse, endlich die Geduld und Ruhe seines Wesens zeigten sich in der Trefflichkeit des gewonnenen Materiales; man konnte sich darauf verlassen, es spiegelte klar und scharf die stummen Vorgänge des nächtlichen Himmels ab und ließ zugleich die Liebe erkennen, mit der es erworben wurde. Fortan blieb die Güte des von ihm geschafften Materiales eines der besonderen literarischen Merkmale, die sich an seinen Namen knüpften und welches diesem bald ein großes Gewicht unter den Fachmännern verschaffte. In nothwendiger Verbindung damit stand seine Vertrautheit mit den Instrumenten; er suchte darin durch Uebung und beharrliches Studium sich Gewandtheit zu erwerben und hat auch viel durch dieselbe erreicht, wie sich aus seinen späteren Erfindungen erweist. Die wissenschaftlichen Arbeiten aus jenen Jahren zeigen ferner andere wichtige Eigenschaften in seinem Bestreben; einmal den direkt auf die Erweiterung der Wissenschaft ausgehenden Sinn, der es verschmäht, zu glänzen, aber bestrebt ist, ein reelles Resultat zu erzielen; dann das Gefühl des Berufes, die Wissenschaft ins Leben einzuführen, ihre Ergebnisse praktisch nutzbar zu machen zur Anregung und Erleichterung der Studien in weiteren Kreisen. Der Erfolg entsprach auch in Hinsicht auf beide eben genannte Punkte der Absichten; sein literarischer Erstling („Ueber den Gebrauch des Aequatoriale“) wurde ins Englische, eine andere Arbeit („Sammlung mathematischer Formeln ec.“) ins Italienische übersetzt. Während der größte Theil seiner Zeit dem unermeßlichen Reiche der Sterne und ihrem Studium gewidmet bliebt, verlief sein Privatleben, wie es bei dem Gelehrten der Fall ist, wenn auch bei ihm nicht in vollkommener Zurückgezogenheit, doch still, einfach und gewöhnlich. Mit seiner Familie blieb er in fortwährendem Briefwechsel, unter lebhafter Antheilnahme an den Erlebnissen seiner Geschwister, deren fast jedes damals seinen eigenen Herd schon gegründet hatte; vor Allem aber wendete er seine Sorgfalt der hochbetagten Mutter zu, die zu unterstützen und gegen alle Feinde des Alters zu schirmen ihn seine geringen Einkünfte nicht abhalten konnten. Aber auch die alte Frau behielt ihren Liebling tief im Herzen eingeschlossen. Vielfache Stellen finden sich in den mit großer zitternder Schrift geschriebenen Briefen, die einmal mit ihrer ganzen natürlichen Tiefe und Ehrwürdigkeit das Gemüth des einsamen Sohnes erfüllt haben mögen. „Alle Abende“, schreibt sie, „steige ich auf die hohe Treppe am Fenster, betrachte den prächtigen Vorhof des Himmels und denke mit Dank und Segnungen an Dich, lieber, guter Sohn!...
„Ich sehe lieber in die Sterne und denke mir, das thut mein Karl auch; heute ist es trübe, heute kann er schlafen. Ist es heiter, Gott stärke ihn in seinem Berufe“... „Ich bin oft bei Dir, lieber Sohn, in meinen einsamen Stunden, reise nach Wien, spreche mit Dir, wie ich Dich liebe, segne und Dir danke“... „Den 4. künftigen Monats (November), als Dein mir sehr erfreuliches Geburts- und Namensfest, werde ich vorzüglich feiern und Gott danken, daß er Dich mir zum Sohne gegeben hat“.
Der erste Wieneraufenthalt ging mit dem Jahre 1831 zu Ende; Kreil hatte, um seine Existenz weiter zu fristen, um die erledigte Stelle eines zweiten Eleven an der Sternwarte in dem Palazzo in Brera zu Mailand angesucht und diese erhalten. Nachdem er noch auf kurze Zeit seine Verwandten besucht hatte, wanderte er meist zu Fuß durch Tirol hinab, um die Pracht der Alpen recht genießen zu können. In Mailand nahm man ihn nicht auf das Wohlwollendste auf; der blonde Barbar mit seiner offenen Geradheit schien wenig Gutes zu versprechen. Aber es war noch nicht das erste Jahr zu Ende, als er sie veranlaßte, ihr Urtheil gründlich zu ändern. Und zwar gab ihm das erwartete Erscheinen von Kometen im Jahre 1832 den Anlaß, nach seiner Neigung vorzugehen, indem er in einer meisterhaft klaren Weise die Theorie und Geschichte der Kometen für ein größeres Publikum zusammenstellte (cenni ridotti alla commune intelligenza), um die heillosen Aengsten zu zerstreuen, mit welcher das unschuldige Phaenomen die Gemüthe erfüllte. Es war freilich etwas Unerhörtes, so auf einmal aus der Bahn der strengen Gelehrsamkeit herauszutreten und sich in Beziehung zum Publikum zu setzen, die subtilen Resultate der mühsamsten Forschung in populärer Sprache frischweg zugänglich zu machen; allein das Schriftchen that, wenigstens bei den denkenden Menschen, seine Wirkung und Kreil gewann damit für die Sternwarte das Interesse des größeren Publikums, sowie er für sich die Feuerprobe in der Kenntniß der fremden Sprache ablegte. Auch seine astronomischen Kenntnisse fanden bald eine sehr eindringliche Anerkennung; nur von ihm wollten die jüngeren Astronomen der Anstalt lernen, nur der Tedesco sei im Stande, meinten sie, ihnen die Sache klar zu machen. Die Berechnung der astronomischen Ephemeriden, zu denen er herangezogen wurde, raubten ihm übrigens den größten Theil der Zeit, so daß für seine Studien und für selbstständige Arbeiten wenig davon übrig blieb. Freilich erlangte er dadurch eine Uebung in Beobachtungen und Berechnungen, eine Gewandtheit in der Auffindung richtiger Methoden, die ihm in der Folge sehr zu Statten kam; später mochte er wohl auch in dieser Ueberladung die leitende Hand der Vorsehung erkannt haben, welche die Entwicklung des einzelnen Menschen, wie jene Wissenschaft durch gar verschiedene Phasen hindurchführt, ohne daß man ihren Zusammenhang von erreichtem Ziele ahnen kann. Daher sind die meisten astronomischen Publikationen während des achtjährigen Mailandaufenthaltes einzelne Abhandlungen über Kometen (von Biela, Gambart, Enke, Halley); auch den höchst lichtschwachen von Boguslawsky (1835) entdeckten fand er auf und seine „unter sich sehr schön harmonirenden Beobachtungen ergaben für ihn einen klar bestimmten Normalort und machten die Ueberprüfung des Systemes des Encke'schen Kometen möglich“ (Berliner Jahrbuch. 1840. S. 270 -- Ueber seine ersten astronomischen Arbeiten in Mailand vergl.: „Carlini Bibliotheca Italiana.“ Vol. XC. (1838), p. 38.). Der berühmte Encke selbst ersuchte ihn (aus Berlin 1836) um seine Beobachtung des Boguslawskyschen Komenten „da“, schreibt er, „Sie eigentlich der einzige Astronom sind, dessen wiederholte Beobachtungen eine Sicherheit versprechen“.
Das Jahr 1834 brachte in die Reihe der einsamen gleichförmigen Tage seines sonstigen Lebens einige Abwechslung; es brachte ihm zuerst eine Vorrückung, indem er die Stelle eines ersten Eleven erhielt, dann eine Reise nach Wien. Die Beschädigung eines Instrumentes, des Meridiankreises, veranlaßte dessen Uebersendung zur Herstellung nach Wien; man übertrug Kreil die Begleitung und Ueberwachung. Er machte bei dieser Gelegenheit einen Besuch bei seiner Familie und sah seine Mutter zum letzten Male. Endlich brachte jenes Jahr noch in seinem letzten Drittel einen großen folgereichen Tag für ihn daher. Es kam nemlich ein gelehrter Besuch auf die Sternwarte, die Herren Baron Sartorius von Waltershausen und Dr. Liesting aus Göttingen, welche auf einer Reise durch das südliche Deutschland und Italien begriffen waren; sie führten das neue Magnetometer des berühmten Gauß mit sich. Kreil lernte dadurch diese Klasse von Beobachtungen kennen und sein Entschluß stand fest. Der Mechaniker der Sternwarte, Grindel, mußte ein ähnliches anfertigen und schon im folgenden Jahre geschah es, daß Kreil damit erdmagnetische Beobachtungen anstellte, die ersten, die im österreichischen Kaiserstaate versucht wurden. Er warf sich mit der ganzen Kraft seines Geistes auf das neue Gebiet; um das Interesse des Publikums zu erwecken, veröffentlichte er in der „Mailänder Zeitung“ eine Beschreibung des neuen Instrumentes und mehrere Arbeiten über den Erdmagnetismus; auch in Holgers Journal zu Wien und in die „Zeitschrift für Erdkunde“ in Berlin schrieb er über diesen Gegenstand. Wichtiger war aber, daß ihm in seiner neueingeschlagenen Richtung Anstoß und Aufforderung zukam zu näherer Verbindung mit den hervorragendsten Gelehrten seines Faches in Deutschland. Er trat nemlich in den magnetischen Verein als Mitglied ein, das heißt, in jenen Kreis von Männern, die unter Führung von Hofrath Gauß in Göttingen zur Erforschung des Erdmagnetismus in allen Ländern Europa's Materiale von Beobachtungen sammelten, so in Heidelberg, Berlin, Brüssel, Greenwich, Dublin u. s. w. Dasselbe wurde jährlich publizirt (von 1837 angefangen), und auf dieses Materiale gestützt schrieb Gauß seine Theorie des Erdmagnetismus. Auch hier erwarb Kreil seinen Beiträgen bald einen begründeten Ruf. Seinen unermüdlichen Eifer, die magnetischen Terminsbeobachtungen in Mailand zu besorgen, lobte Gauß in hohem Maße, „zumal Kreil bei dem schweren Verkehre zwischen Deutschland und Italien der Satisfaktion entbehre, die schöne Uebereinstimmung mit jenen von anderen zu erkennen“. Auch Baron von Sartorius berichtet Kreil Gauß' Freude über den Eifer seiner Korrespondenten, namentlich aber über seine vortrefflichen Beobachtungen (1837). Durch diese Leistungen wurde er Alexander von Humboldt bekannt, dem er die Ergebnisse seiner Beobachtungen über den Erdmagnetismus mittheilte. Ersterer dankte ihm hiefür in einem Briefe aus Teplitz (27. Juli 1837); er sagt darin unter anderem: „Ihre Beobachtungen sind die ersten und einzigen, die man mit solcher Schärfe und Ausdauer gleichzeitig über die drei großen Phaenomene der Deklination, Inklination und Intensität angestellt hat. Ihren wichtigen Brief, der in den „Annales maritimes“ und der „Voyage d'Islande“ vol. I. abgedruckt wurde, mit den Worten: „Les moyens les plus exacts d'observer l'inclination (pendant l'aurore) ont été donnés par Mr. Kreil, astronome de Milan“. Daß sich Kreil schon vor dem Jahre 1834 viel mit den Fragen der neu auftauchenden Wissenschaft des Magnetismus beschäftigt habe, beweist eine im Jahre 1832 begonnene Reihe von Originalbeobachtungen über den Mond, die durch fünf Jahre fortgesetzt wurde und den jungen Astronomen zu einer hochwichtigen Entdeckung führte, nemlich zu der, „daß auch der Mond magnetische Kräfte besitze und daß demnach der Magnetismus, der bisher blos als terrestre Kraft angesehen wurde, sich nun als kosmische Potenz zeige“. (Wiener Briefe in der „Augsb. Allg. Ztg.“ 21. März 1842. Nr. 81.) Er legte diese Entdeckung in den Mailänder Ephemeriden (Osservazioni sulla librazione della luna. 1837) nieder und führte die Resultate späterhin noch weiter aus. In dieser Frage anerkannte Humboldt seine Autorität; im Jahre 1851 schreibt er an Kreil: „82 Jahre alt und in einer äußeren Lage, die viele sehr unliterärische Störungen veranlaßt, entgeht mir so manches aus Büchern, die ich selbst besitze. Ich wend mich daher bittend an Sie, bittend um Belehrung über den Einfluß, den der Mond in seinen verschiedenen Stellungen auf die magnetischen Phaenomene auszuüben scheint. Ihre jetzige Meinung ist mir um so wichtiger, als nach Faraday die Sonne nur magnetisch zu wirken scheint“. Seine Beobachtungen wurden im Jahre 1838 auf einige Zeit unterbrochen, indem er mit Freiherrn von Lebzeltern (Damals Oberst und Geniedirektor in Mailand, jetzt General) eine größere Reise in das südliche Italien antrat; schon im Jahre 1829 hatte er Verwandte seines Zöglings von Venedig abgeholt; die Eindrücke der Kunstwerke und Naturschönheiten auf beiden Reisen blieben ihm unvergeßlich; noch in den letzten Jahren erzählte er gerne von der Riviera di Levante, von Neapel, Sorrento, Taormina, vom Krater des Aetna u. s. w. - Die vom Jahre 1836 bis 1838 fortgeführten absoluten und Variationsbeobachtungen publizirte er schließlich mit ihren Ergebnissen in einem eigenen Bande (Osservazioni sull' intensità e sulla sforza magnetica istituite a Milano negli anni 1836-1838), dessen Druck bis 1839 sich hinauszog; sie sind als die bedeutendste Leistung während seines Aufenthaltes in Mailand anzusehen. Eine gedrängte Uebersicht derselben stellte er in einem Briefe an Staatsrath Kuppfer in St. Petersburg zusammen, welcher in der k. Akademie vortrug. Dieselbe ließ ihn drucken („Lettre à Mr. Kuppfer contenant un exposé succinet des principaux résultats des observations magnétiques à l'observatoire de Milan. St. Pétersbourg 1839) und sendete Exemplare davon an alle Observatorien Europa's, so daß er vollkommen die Runde durch den Welttheil machte; auch wurde er im folgenden Jahre von Sabine ins Englische übersetzt. Das glänzendste Zeugniß ertheilte ihm in der That ein Brief von Sir J. Fr. W. Herschel, Präsidenten der britischen Association in London (1839), in welchem er schreibt, er habe seine Entdeckungen für so wichtig gehalten, daß er sie in allen neu errichteten Observatorien der englischen Regierung und der ostindischen Kompagnie als Grundlage für weitere Untersuchungen eingeführt habe.
Im Herbst 1838 berief eine Allerhöchste Resolution Kreil als Adjunkten an die Sternwarte zu Prag, wohin er aber erst abging nach der Vollendung des Druckes seiner Beobachtungen und nachdem unter seiner Aufsicht ein neues Magnetometer für Prag angefertigt worden war, das er dahin mitzunehmen gedachte. So schloß mit seinem ersten großen Werke der Aufenthalt in der schönen Stadt der Lombarden ab, der für seine literarische Laufbahn von so großer Wichtigkeit geworden ist. Er hatte die Sternwarte des Palazzo in Brera in ihrer höchsten Blüthe gesehen und zu dieser selbst werkthätig beigetragen. Oriani und Carlini waren auch in Deutschland angesehene Astronomen. Auch blieb er mit diesen und vielen anderen italienischen Gelehrten fortan in brieflichem Verkehr und ist für sie und die deutschen Gelehrten, besonders bei der Ausbreitung der magnetischen Wissenschaften, das verbindende und anregende Mittelglied geworden. Endlich hatte er in der neu entstandenen Wissenschaft die Ehre des Vaterlandes vertreten; er war nach kaum fünfjährigem Studium nicht bloß der Führer Oesterreichs in derselben, sondern auch unter den berühmten Fachgenossen eine Autorität geworden. Während er über die Alpen zurückkehrte, waren seine Entdeckungen und die Ergebnisse seiner Forschungen im Begriffe, sich über Europa nach Nordamerika und Indien zu verbreiten. Seine Geschwister aber, die er damals besuchte, fanden an ihm keine Veränderung, er war „der alte“ geblieben, voll theilnamvoller Anhänglichkeit. Jedoch er selbst fand Manches anders; sein Mutter hatte „ihre Heimreise zu Gott“ schon angetreten und über die Familien seiner Geschwister war der heiße Mittag des Lebens prüfungsschwer heraufgezogen. Auch er ging einem solchen entgegen; es warteten seiner manche Kämpfe, die sich durch die Zeit des Prager Aufenthaltes hinzogen, bis es der Stärke und dem Feuereifer seines Geistes gelang, auch hier durchzudringen.
Zu seiner Versetzung nach Prag gratulirten ihm seine gelehrten Freunde, nicht des Gehaltes wegen (er kam durch dieselbe von 400 fl. auf 800 fl. zu stehen), sondern wegen des Umstandes, daß an der dortigen Sternwarte bei der anhaltenden Kränklichkeit des Direktors alles darniederlag, und Kreil eine schöne Gelegenheit erhielt, seine Kraft und Kenntnisse zu beweisen. Allein er fand bei seiner Ankunft das Observatorium in einem schlechteren Zustande als er erwarten konnte. Schon vor 35 Jahren war der Neubau desselben als nothwendig anerkannt und angeregt worden; er verzog sich aber immer wieder. Selbst nicht das nothwendigste Instrument zu genauen Beobachtungen – ein Passage-Instrument – fand sich vor, so daß Kreil schlechterdings nicht im Stande war, den Gallei'schen Komenten im Jahre 1840 zu beobachten; die vorhandenen Instrumente konnten wegen Mangel an Raum nicht aufgestellt werden und wurden durch Staub und Rost ruiniert. Der neue Adjunkt fing daher wieder von vorne an, mit der Anregung eines Neubaues; aber obwohl der Platz ausgemittelt, die Pläne fertig wurden, führten seine Bemühungen so wenig zu einem Resultate, als die seiner Vorgänger; er regte sie immer wieder an, und immer waltete derselbe Unstern der Verschleppung darüber. Wir haben dieser Angelegenheit darum Erwähnung gethan, weil sie für Kreils weitere Richtung entscheidend geworden ist; ihm, dem rasch entschlossenen Manne, wurde sie nämlich der Grund, daß er die astronomischen Zwecke nach Verhältniß der vorhandenen Mittel als sekundäre ansah und zur Hauptsache – wie es an andern Sternwarten in jener Zeit zumeist geschehen ist – die Pflege der jungen Wissenschaften machte, des Erdmagnetismus und der Meteorologie. Als der Custos des Nationalmuseums in Prag, Corda, mit Humboldt in Teplitz zusammentraf (1839) und ihm von der Lage und dem Entschlusse Kreils erzählte, rief jener aus: „Gott Lob und Dank, so wird er desto mehr für den Magnetismus thun!“. Aber es war keine leichte Sache ein Observatorium zu erhalten, das nur den nächsten Anforderungen entsprach; bei der Mißgunst, welche die neuen Wissenschaften in der unmittelbarsten Nähe Kreils verfolgte, wo man sich von älteren Anschauungen nicht trennen konnte, mußte er sein Terrain Schritt für Schritt erobern. Von dem Ersparniß, das er durch eine beispiellos einfache Lebensweise von seinem Gehalte abgekargt hatte, konnte er sich wohl die einfachsten und billigsten Instrumente ankaufen; da es ihm aber nicht gelang, eine Geldunterstützung zum Aufbau einer eisenfreien Hütte aus Holz für die magnetischen Beobachtungen zu erhalten, war er gezwungen, in einem gewöhnlichen Lokale ein Observatorium einzurichten und mußte an den Beobachtungen durch zeitraubende Berechnung den örtlichen – von dem im Gebäude vorhandenen Eisen herrührenden – Einfluß auf den Magnetstab auffinden und in Anschlag bringen; es wurden mithin die anstrengenden Arbeiten noch viel schwieriger und langwieriger. Aber er hatte nicht darum die harte Schule der Ausdauer durchgemacht, nicht darum war er von Natur aus mit einem reichen Maße von Geduld begabt worden, daß ihn derlei Schwierigkeiten verzagt machen konnten; vielmehr trug er sich gerade in jener Zeit mit der Ausführung großer Gedanken, die er vielleicht schon während des Mailänder Aufenthaltes gefaßt, aber fest in sich verschlossen hatte. Er versuchte vorerst das allgemeine Interesse für sie zu erregen und bald sammelte sich ein Kreis von jungen Männern, welche ihn bei den magnetischen Beobachtungen unterstützten, so daß diese in mehrfacher Beziehung und reichlicher ausgeführt werden konnten, als es in Mailand der Fall war. Schon im Oktober 1839 begannen die Prager Beobachtungen und zwar täglich durch 18 Stunden; auch die Meteorologie zog er jetzt in das Gebiet regelmäßiger Beobachtungen ein, da er den Gedanken hatte, es müßte die geheimnißvolle Kraft des Erdmagnetismus auch auf die athmosphärischen Erscheinungen einwirken, worin ihn Humboldt bestärkte. Nach Verlauf von 18 Monaten hatte dieses neue Observatorium von Prag den Ruf, nach jenem von Göttingen, das unter der Leitung des Hofrathes Gauß stand, das wichtigste zu sein, und dies in einer Zeit, da überall in Europa die praktische Wichtigkeit solcher Studien durchschlug und alle Regierungen, besonders die britische, die größten Anstrengungen für dieselben machten; die berühmte magnetische Expedition des Kapitän Roß zum Südpol wurde vorbereitet, der Franzose Gaimard bereiste die nördlichsten Gegenden Europa's und errichtete eine Beobachtungsstation am Nordkap, Lamont, einer der noch lebenden Koryphäen dieser neuen Wissenschaften, gelang es in München ein meteorologisches Institut für Bayern, Quetelet in Brüssel, ein solches für Belgien zu gründen, während zugleich die von Kreil angeregten Beobachtungen in Mailand fortdauerten und Observatorien in Bologna von Amadei, in Parma von Colla gegründet wurden. Dies bewirkte er mit seinem geringen Ersparniß und mit einer Schaar junger Leute, die, selber arm, aus Interesse an der Sache sich betheiligten.
Die Entwürfe Kreils reichten freilich noch weiter; aber was halfen ihm alle Pläne, die er in seiner Stube auf dem Papiere hatte, da die Hindernisse immer mehr und schwieriger wurden.
Die jungen Leute, die ihm bisher geholfen, waren durch ihre eigene Noth gezwungen, ihre Zeit fruchtbringend zu benützen, und Kreil, der seine Habe auf die Instrumente ausgelegt hatte, war nicht im Stande, ihnen irgend eine Entschädigung zu bieten; auch war bei einigen das Interesse nicht anhaltend genug. Daher verließen ihn nach und nach seine Mitarbeiter, so daß bald die Reihe der Beobachtungen auf die Hälfte herabgesetzt werden mußte. Nur einer blieb ihm treu, der seit jener Zeit mit seltener Entsagung und Opferfreudigkeit der Erweiterung der Wissenschaft dient und den zugleich ein verwandtes Bestreben an jenes von Kreil knüpfte. Es ist dies sein langjähriger Amtsgenosse, der, mit den reichsten physiologischen Kenntnissen ausgerüstet, in ähnlichem Sinne die Wissenschaft der Phänologie in Oesterreich zu begründen suchte, wie Kreil jene des Erdmagnetismus und der Meteorologie; schon in Prag, noch weiter in ihrem späteren Zusammenwirken an der Centralanstalt in Wien, vertrat er dieses Fach bleibend und selbständig und wurde von bedeutenden Männern, wie Humboldt und Quetelet als der eifrige Mitarbeiter Kreils anerkannt. Die beiden Männer arbeiteten mit rastloser Thätigkeit an der Gewinnung von Materiale; es kam nicht selten vor, daß Kreil zur Zeit der sogenannten Termine achtzehn halbstündige Beobachtungen in einem Tage machte.
Im Jahre 1840 sandte der schon genannte Mechaniker der Mailänder Sternwarte, Grindel, seinen Sohn nach Prag, damit er sich unter der Aufsicht Kreils im Fache des Vaters und in der deutschen Sprache ausbilde. Kreil wies ihm ein Zimmer in seiner Wohnung an und trat in engen Verkehr mit ihm. Er hatte seit langer Zeit die Idee in sich ausgebildet, ein Instrument zu konstruiren, welches zur Erleichterung der meteorologischen Beobachtungen, und zwar zuerst jener des Luftdruckes dienen sollte; es sollte nämlich von selbst, durch Verbindung mit einem Uhrwerke ohne andere menschliche Beihilfe, als daß dieses aufgezogen würde, die Schwankungen im Luftdrucke genau und ununterbrochen aufzeichnen und zugleich die Stunde und Minute des Eintretens einer jeden derselben angeben. Er machte nun mit Hilfe seiner mechanischen Kenntnisse und Erfahrungen den Entwurf eines solchen Instrumentes und der junge Mailänder sollte ihn in freier Zeit ausführen. Er brachte es glücklich zu Stande; das selbstregistrirende Barometer oder der Barometrograph Kreils ist auf diese Weise entstanden; bald folgten ihm andere ähnliche Instrumente zur Beobachtung der Temperatur und der Feuchtigkeit der Luft, die Thermo- und Hygrometrographen, dann der Wind und Regenmesser (Ihre Beschreibung veröffentlichte Kreil in Poggendorfs Annalen 1841 – Den Entwurf eines registrirenden Magnetometers gab er wegen Mangel an Mitteln auf.), und so hatte Kreil den Abgang menschlicher Kräfte durch sein Genie mit andauernderen Instrumenten ersetzt, die ihren Zweck aufs vollkommenste erfüllten; „denn, heißt es in dem Brief eines berühmten Wiener Physikers von dem ersteren, „Ihre Angabe und Einrichtung halte ich für das non plus ultra der Einfachheit und Zweckmäßigkeit und ganz unverbesserlich; wer immer das Instrument in seinem Gange sieht, ist entzückt. Ich stelle es im Museum auf, obgleich in meinem Arbeitszimmer ein besserer Ort dafür wäre, damit dieses Produkt eines vaterländischen Gelehrten Niemand entgehe, der mein Museum besucht!“ Auch Lamont in München schreibt hierüber (1847): „Ich habe schon seit längerer Zeit registrirende Instrumente, wobei ich Ihre Idee zum Theil benützt habe“ - Für das gewonnene Materiale suchte Kreil gleich vom Anfang an ein selbstständiges Organ einzurichten, welches auf öffentliche Kosten gedruckt wurde und als Jahrbuch unter dem Titel: „Magnetische und meteorologische Beobachtungen von Prag“ erschien (1839 bis 1849, zehn Bände) (Sie wurden seither fortgesetzt von dem folgenden Direktor Herrn Böhm.). Es liegt in diesem Unternehmen die erste Hinweisung auf die Ziele, die er damals schon im Auge hatte, aber aus Mangel an Mitteln und Unterstützung nicht ausführen konnte. Es war ein über die ganze Monarchie ausgedehntes Netz von Beobachtungsstationen, um die zerstreute Thätigkeit vieler Beobachter, die in den verschiedenen Gegenden, jeder für sich, ungefähr nach denselben Zielen strebten, zu konzentriren in ein großes wissenschaftliches Unternehmen, das mit gleichförmigen Instrumenten und nach gleichförmigen klar bestimmten Zielpunkten geordnet und gefördert werden sollte. (Dieselbe Erwägung lag in späteren Jahren (vor 1849) der Bildung der meteorologischen Gesellschaft in Frankreich zu Grunde; in der Einleitung zum 1. Annuaire (1849) heißt es p. III: ;- - nous publions le premier volume d'un annuaire destiné à réunir chaque année les observations que des savants pleins de zèle et de désintéressement rassemblent sur divers points de la France. Le plus souvent inédites, perdues dans des recueils peu répandus ou enfouies à jamais dans les archives des sociétés provinciales, elles n'arrivaient plus à la connaissance du public. Leurs auteurs n'obtenaient pas meme le seul fruit de leurs peines, qu'ils eussent ambitionné, la satisfaction de voir, que leurs travaux profitaient à la science et à leurs cenitoyens etc.) Schon damals ersuchte er die Herren P. Marian Koller in Kremsmünster, seinen hochverehrten Freund, dann Gintl in Graz, Böhm in Innsbruck, Sacher in Tarnow um ihre Mitwirkung, und in der That finden wir in den ersten Bänden schon Beiträge von Ofen, Graz u. s. w. Nach seiner schon besprochenen Neigung, die Wissenschaft ins Leben einzuführen, begleitete er in dieser Publikation die Beobachtungen mit Bemerkungen über ihre Ergebnisse, und zwar wieder in jener klaren, schlichten Darstellungsweise, welche seine Schriften so sehr auszeichnet. Gerade diese Bemerkungen erregten ein großes Aufsehen. „Besonders ihre Zusammenstellung, die Sie Ihren Beobachtungen beigeben, sind höchst nützlich aber auch höchst mühsam“, schreibt Lamont (1842). „ Ich bedaure, daß ich bisher ihrem Beispiele, so sehr ich es wünschte, nicht habe folgen können.“ Auch eine gewichtige Stimme aus Wien läßt sich in einem Briefe von 1843 vernehmen: „In meteorologischer Beziehung überragt Ihr Jahrbuch Alles weit, was in diesem leider noch immer zu wenig beachteten Fache besteht.“ Am weitläufigsten sprechen darüber die Wiener Briefe in der „Augsburger allgemeinen Zeitung“, 1842, Nr. 81: „Gerade diese Abhandlungen sind es, die diesem Werke einen besonderen Werth geben; sie sind nicht blos mit musterhafter Klarheit geschrieben, sondern bringen auch neue wissenschaftliche Resultate. Sie beziehen sich auf magnetische und atmosphärische Zustände der Erde und enthalten die mit vielem Scharfsinne aus einer großen Anzahl sehr genauer magnetischer Beobachtungen abgeleiteten Gesetze.“ Es folgt nun die Besprechung der Entdeckung der magnetischen Kraft des Mondes, die durch fortgesetzte Beobachtungen in Prag außer allen Zweifel gesetzt wurde. Dann heißt es: „Nicht minder interessant sind die Ergebnisse der Beobachtungen des Druckes, der Temperatur und der Feuchtigkeit der Luft und besonders die bestimmt erkannten Wirkungen des Mondes auf jede dieser Größen, Wirkungen, die bis jetzt theils gar nicht, theils nicht bestimmt genug erkannt wurden. Auch der vorsichtige Majocchi in Modena kündigt in seinen annali di Fisica (1844, Heft 2, 3, 4, 8.) das Werk an, welches „ha fatto gran rumore in Germania. I principali Giornali di quella nazione ne parlarono con qualche estensione ed il suo libro ebbe presso di essa un grande smercio.“ Ohne ein Urthel darüber geben zu wollen, gesteht er zu, daß es Gutes enthalte, daß manch' kühne Propositionen darin stünden, nichtdestoweniger aber der Autor ein versirter Mann sei in der Astronomie und Meteorologie; daß seine Arbeit besser sei als die des Italieners Toaldo, des Franzosen Bertholou und des Engländers Murphy; er bewähre eine größere Tiefe der Gelehrsamkeit und der Auffassung, zahlreicheres Materiale und größeren Scharfsinn in den Begründungen; am Schlusse heißt es: „Se in Germania ha avuto un esito si fortunato, bisogna bene, che nel lavoro die Kreil vi sia qualce cosa di buono e di utile.“
Im Jahre 1841 versuchte Kreil dem Ziele seiner Pläne näher zu kommen; er bat um die Einrichtung eines meteorologischen Kabinetes mit autographen Instrumenten, wozu er die von ihm erfundenen, aus eigenen Mitteln angeschafften, um den Herstellungspreis dem Staate anbot. Aber das erreichte er nicht; denn in seiner nächsten Nähe hielt man dieselben für untauglich zu wissenschaftlichen Zwecken! Es geschah dies, während der Verein für Erdkunde in Berlin und die Gesellschaften der Wissenschaften in Prag und Göttingen ihn in Folge seiner wissenschaftlichen Verdienste zum wirklichen Mitgliede wählten; freilich wurde auf sein Gesuch um die Annahme dieser Wahlen durch zwei Jahre keine Antwort ertheilt und Kreil dadurch gegenüber jenen Gesellschaften in die peinlichste Verlegenheit gebracht; aber ein direktes Majestätsgesuch erwirkte ihm am Ende sofort die Erlaubniß. Nicht anders erging es ihm bei dem Plane, ein magnetisch-meteorologisches Journal für Oesterreich zu begründen, in welchem die zerstreuten Beobachtungen, seinem alten Plane zufolge, aufgesammelt werden sollten; er reiste zu diesem Behufe selbst nach Wien (1841). Allein der Erfolg war gering; bald darauf versprach er Lamont in München, welcher ihm die Stelle eines Mitredakteurs bei den von Ersterem begründeten „Annalen für Meteorologie, Erdmagnetismus und verwandte Gegenstände“ antrug, seine Mitwirkung durch Uebersendung von Materiale. Es sind diese Mißerfolge um so räthselhafter, da wir wissen, daß das Auge eines hohen Fürsten der mächtigsten in dem Oesterreich von damals, mit warmer Theilnahme den Bestrebungen des Adjunkten der Prager Sternwarte folgte. Kreil ließ sich aber immer nicht irre machen und ging seine schwere Bahn muthig und unermüdlich vorwärts; ja er bereitete eine neue Unternehmung vor, die mit dem folgenden Jahre ins Leben trat, nämlich die Publikation eines astronomisch-meteorologischen Jahrbuches für Prag, in dem nun auch die astronomischen Resultate, die er bei seiner beschränkten Stellung zu erringen wußte, Aufnahme fanden (Sie wurden in vier Jahrgängen (1842-1845) fortgesetzt).
So rief Kreil in den ersten Prager Jahren die Entwürfe, die er aus Mailand mitgebracht hatte, ins Leben; er hatte mit der Hilfe seines Genossen ein System der drei in sich zusammenhängenden Wissenschaften des Erdmagnetismus, der Meteorologie und Phänologie als selbstständiges Ganzes herausgebildet und mit Aufopferung gepflegt; er hatte der Prager Sternwarte trotz aller Hindernissse einen neuen Namen gemacht, sie erhoben in die erste Reihe jener Anstalten, auf deren Wirken die Augen aller jener ruhten, welche eine Einsicht in die praktische Wichtigkeit der genannten Fächer hatten und die von der bedeutenden Zukunft derselben überzeugt waren; er hatte dies mit so wenig Mitteln erreicht - „wobei manche Ideen“, heißt es in seinen Briefen jener Zeit öfters, „unausgeführt bleiben müssen“, - und doch, der Geist Tycho Brahe's, welchen er, wie die Journale jener Zeit sagten, im Observatorium an der Moldau wieder erweckt hatte, blieb in dasselbe gebannt! Es kam nun wieder eines jener bedeutenden Jahre, die wir als Wendepunkt in seinem Leben betrachten müssen, und die eine neue Periode seines Wirkens einleiteten. Zunächst trat in seinem Privatleben eine Veränderung ein; er vermählte sich im Frühjahre 1842 mit Fräulein Mathilde v. Pflügl, der Tochter des städtischen Kämmerers in Linz, Karl Edlen v. Pflügl, und begründete so den lange gewünschten eigenen Haushalt. Darauf folgte ein ernster Tag für ihn. Im Jahre 1840 war nämlich die Stelle des Direktors der Wiener Sternwarte erledigt worden. Die Möglichkeit, in Wien seine Pläne in dem gewünschten großen Umfange durchführen zu können, wozu ihm die Mittel in Prag fehlten, bestimmten ihn, um die Stelle zu kompetiren. Diese Hoffnung, die schönste seines Lebens, blühte plötzlich und rasch ab; die Vorsehung, welche ihn durch die Mailänder Ephemeriden zu einem tüchtigen Beobachter herausgebildet hatte, trat auch hier zwischen den Ringer und sein Ziel; noch eine jahrelange, beschwerliche Bahn zeichnete sie ihm vor, bis er die ersehnte Stufe erreichte – das heißt, zu den Mitteln gelangte, seine Pläne zum Wohle der Wissenschaft und – gestehe man es ein – des Staates, so wie zum eigenen Ruhme zu verwirklichen. Auch dies Erlebniß beugte seine Kraft nicht, vielmehr stählte sie dieselbe; es war vielleicht einer der glänzendsten Momente in dem Gemüthsleben des schweigsamen Mannes, in welchem er das Erlebte in sich vergrub und im neuen Aufschwung all' seiner Seelenkraft einen neuen Weg versuchte, voll Entsagung und voll Vertrauen auf seinen Beruf. Im Jahre 1842 noch legte er der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaft den Plan vor, das Königreich zur Erforschung des Erdmagnetismus durch ihn bereisen zu lassen; „denn“, meinte er in einem Schreiben an Humboldt (1843), „es werde bald die Zeit kommen, in welcher die neue Wissenschaft sich mit den Resultaten von einzelnen Stationen Europa's nicht mehr begnügen werde, sondern wo man die magnetische Kraft von Quadratmeile zu Quadratmeile erforschen werde“. Die Folge hat ihm hierin Recht gegeben. Die k. Gesellschaft nahm seinen Vorschlag mit Freuden an, schaffte Apparate von Lamont aus München herbei, und so begann Kreil die Reihe seiner Bereisungen, ein Unternehmen, mit welchem er auf dem Kontinente voranging und welches bald in den Nachbarländern nachgeahmt wurde. Die Bereisung Böhmens vollendete er in den Sommern der Jahre 1843 und 1844; die Ergebnisse stellte er in der Zwischenzeit zusammen; sie wurden in den Abhandlungen der k. Gesellschaft (Fünfte Folge, vierter Band.) gedruckt unter dem Titel: „Magnetische und geographische Ortsbestimmungen Böhmens“. In der Zwischenzeit schrieb er über die Natur und Bewegung der Kometen, dann einen kurzen Abriß der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des magnetischen Vereines und nähere Beleuchtung des Standpunktes, den Prag darin einnimmt, ferner über den Einfluß des Mondes auf den atmosphärischen Zustand unserer Erde, über den großen Kometen von 1843 u. s. w.
Die Bereisung Böhmens hatte so wichtige Resultate namentlich für das Verhältniß der magnetischen Erscheinungen zur geognostischen Beschaffenheit der Erdrinde zur Folge, daß eine Ausdehnung derselben über die gesammte Monarchie eine reiche wissenschaftliche Ernte versprach; auch gab sie ihm die Gelegenheit, aus eigener Anschauung die verschiedenen zerstreuten Bestrebungen kennen zu lernen, die hie und da in seinen Fächern bestünden, und Verbindungen mit jenen Männern anzuknüpfen, welche sie hegten. Dadurch erhielt die Bereisung neben dem allgemeinen ein großes Interesse für seine Lieblingspläne und ist auch in Beziehung auf die Entstehung und Leitung der Centralanstalt wichtig, indem seine alten Gedanken durch sie die erste sichere Basis erhielten. Er arbeitete daher sofort an dem Entwurfe des neuen Reiseplanes. Der thathkräftigen Unterstützung durch den damaligen Hofrath, nachherigen Finanzminister und Präsidenten der k. Akademie der Wissenschaften, Freiherrn v. Baumgartner und durch den Regierungsrath R. v. Ettingshausen verdankte er die Vorlage seiner Bitte an den Staats- und Konferenzminister Grafen Kolowrat und die Gewährung derselben. Er arbeitete nun unermüdlich an den Vorbereitungen dazu; die Regierung kam ihm bei denselben und in der Folge bei der Reise selbst mit jeder Unterstützung entgegen, ein Beweis, daß man die Bedeutung seiner Unternehmungen vollkommen kennen und würdigen gelernt hatte. Vorerst wurde ihm im Jahre 1844 eine Vorbereitungsreise durch die Monarchie gestattet, um den Reiseplan selbst im Detail ausarbeiten zu können. Die nächste Aufmerksamkeit richtete Kreil sodann auf die Instrumente. Er setzte sich mit den bedeutendsten Mechanikern in Hamburg, Altona und London in Verbindung, worauf ihn Konferenzrath Schuhmacher in Altona dringend ersuchte, selbst in jene Städte zu kommen, um die bestellten Instrumente von Kessels, Pistor, Dent, insbesondere das Universalinstrument von Repsold genau prüfen und studieren zu können. Zugleich kam eine sehr schmeichelhafte Einladung zur Gelehrtenversammlung nach Cambridge. In Folge dieser Aufforderungen wurde Kreil eine zweite Vorbereitungsreise gestattet (1845), die er in Begleitung des Baron Parish v. Senftenberg antrat. Dieser hochgebildete reiche Herr hatte in Senftenberg eine Privatsternwarte, auf deren Ausbildung zu einem Observatorium in allen neuen Fächern Kreil einen großen Einfluß nahm. Der Besitzer bewahrte ihm hierfür eine dankbare Freundschaft und vermittelte neben dem amerikanischen Generalkonsul in Leipzig, Dr. Flügel, seine direkte Korrespondenz mit englischen und amerikanischen Gelehrten; auf dem Gelehrten-Kongreß in Cambridge, durch den Kreil die hervorragendsten Kollegen persönlich kennen lernte und von dem er in das Komité der ersten Sektion (mathematical and phisical sciences) gewählt wurde, setzte Baron Senftenberg in einem Vortrage (am 21. Juni) Kreils magnetische Entdeckungen auseinander und legte die Zeichnungen seiner autographen Instrumente vor, die großes Interesse erregten. Für den guten Klang, dessen sein Name sich in England erfreute, spricht auch der Umstand, daß er sofort nach seiner Ankunft in dem Kongreßorte zum Mitglied der britischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften erwählt wurde.
Bald darauf kam ihm die wohlverdiente Ernennung zum Direktor der Prager Sternwarte zu. Die Vorbereitungen zur Reise waren getroffen, der Plan genehmigt; sie sollte in vier Abtheilungen vorgenommen werden, welche das westliche, dann das östliche Alpengebiet, hierauf den Donau- endlich den Karpathendistrikt zum Gegenstand haben sollten. Die Gesichtspunkte, die vorzüglich im Auge behalten wurden, waren die Erforschung des Laufes der magnetischen Kurven, die Abhängigkeit des Magnetismus von der geognostischen Beschaffenheit des Bodens, das Verhältniß des Magnetismus zur Höhe des Beobachtungsortes, endlich die Entscheidung der Frage, ob die Ablenkung des Magnetes durch eisenhältige Mineralien, die im Erdboden etwas vorkämen, bemerkbar und in wieferne aus ihr ein Rückschluß auf das Vorhandensein jener gestattet sei. Während Kreil den magnetischen und astronomischen Theil des Reisezweckes auf sich nahm, besorgte sein Assistent Herr K. Fritsch den meteorologischen und phänologischen. Im Frühjahre 1846 wurde sie angetreten und in der vorgeschlagenen Weise in den Jahren 1846 bis 1848 und 1850 vollendet, da die Unruhen im südlichen Ungarn, Siebenbürgen und den Grenzländern die Fortsetzung der Reise in dieses Gebiet im Jahre 1849 verhinderten. Kreil hatte schon während des Jahres 1848 die Erfahrung gemacht, daß die Zwecke seiner Unternehmung durch ein Wagniß nicht gefördert würden. Es wurde nämlich der harmlose Gelehrte zu Weißenkirchen im Banat als Spion eingezogen, sein Paß verdächtigt und er erst nach Einhohlung von Erkundigungen auf sogleich erfolgten Befehl wieder freigelassen; auch seinem Reisegefährten, der in der Nähe von Munkacz phänologische Notizen aufnahm, legte man zur Last, er wolle einen Plan der Festung aufnehmen und zog ihn ein, bis sich das Mißverständniß hob. Die Reise, in deren viele lehrreiche Details und abenteuerliche Erlebnisse einzugehen hier nicht der Ort ist, mußte für den gelehrten Mann von großem Interesse sein, aber sie war auch sehr beschwerlich und nicht ohne Gefahren, zumal in den ungarischen Gegenden, in Dalmatien und Galizien. Aus jenen brachte er das Fieber nach Hause mit, welches im Jahre 1849 dem rüstigen Manne hart zusetzte. Nur der beständige Luftwechsel und die immer von Neuem erregte Theilnahme ließ ihn die Mühseligkeiten überstehen; die Beobachtungen, für welche er regelmäßig die Zeit zwischen 9 und 2 Uhr des Tages ununterbrochen verwendete, verarbeitete er an den Abenden sogleich und brachte das Materiale fertig mit nach Prag, wo er die Wintermonate zu ihrer Vorbereitung für den Druck verwendete. - Dieses große Unternehmen, dessen glückliche Beendigung Se. k. k. Apostolische Majestät mit der Verleihung des Ritterkreuzes des k. Franz Joseph-Ordens auszuzeichnen geruhte (1850), erregte ein gewaltiges Aufsehen in der gelehrten Welt; außer in England und Canada hatte man eine magnetische Expedition von diesem Umfange noch nicht erlebt. Auch waren die Resultate, die in fünf Bänden unter dem Titel „Magnetische und geographische Ortsbestimmungen im österreichischen Kaiserstaate“ (148-1852) erschienen, derart, daß sie die gehegten Erwartungen noch weit hinter sich ließen. Der rühmlich bekannte Astronom in Breslau, v. Boguslawski, welchem Kreil die Ergebnisse des ersten Reisejahres im Auszuge mittheilte, war von „der gelungenen, an höchst interessanten, ja überraschenden Resultaten so reichen Expedition“ (Brief vom Jahre 1846.) in hohem Grade entflammt; und als im folgenden Jahre Humboldt, welcher dem König von Preußen ein lebhaftes Interesse für magnetische Forschungen eingeflößt hatte, Bogulawskis Ansicht über eine Bereisung Preußens verlangte, berief sich dieser geradezu auf die Bedeutung der Ergebnisse von Kreils Bereisungen und hob hervor, wie wichtig es wäre, die Erfahrung und Kenntnisse, welche der letztere erworben hatte, für eine ähnliche Expedition in Preußen zu benützen, ja er ersuchte denselben um den Entwurf des Planes einer solchen in dem Nachbarstaate (1847). Auch war es Kreils Absicht, die er in einem Briefe an Humboldt (1846) aussprach, mit ähnlichen Unternehmungen in den Nachbarländern zusammenzugehen. Er führte dies zum Theile aus, indem der vielgenannte Lamont in München eine ähnliche Bereisung Baierns unternahm (1850) wie sie Kreil eben in Oesterreich zu vollenden im Begriffe war, und indem dieser, um sich mit den Beobachtungen von jenem zu vereinigen, einen zweiten Besuch des westlichen Böhmens vornahm.
Inzwischen hatte der Staatsrath Kuppfer in St. Petersburg eine ähnliches meteorologisches Beobachtungssystem für Rußland gegründet, wie das schon früher genannte von Lamont für Bayern war; 1846 wurde ein solches auch in Preußen eingerichtet, an demselben Plane arbeitete Antinori in Florenz für Centralitalien. Da, wie oben gesagt wurde, in Brüssel jenes von Quetelet für Belgien schon länger bestand, so fehlte in der Reihe der wichtigsten europäischen Staaten noch ein solches in Oesterreich (Die meteorologische Gesellschaft in Frankreich ist ein privates Unternehmen von französischen Gelehrten; ihr Jahrbuch beginnt 1849.). Es ist natürlich, daß durch diese Betrachtungen die Lieblingsideen Kreils neue Nahrung und Anregung erhielten; durch beinahe ganz Europa könnte man den Erdmagnetismus und die Meteorologie genau durchforschen wenn auch in seinem Vaterlande die Einführung eines solchen gelänge, schreibt er in dem genannten Briefe an Humboldt. Da geschah ein wichtiges Ereigniß in Wien. Von Neuem hatten die namhaftesten Gelehrten in der Metropole die alte Idee der Begründung einer k. Akademie der Wissenschaften als Sammel- und Stützpunktes aller wissenschaftlichen Bestrebungen in der Monarchie aufgegriffen und endlich zur Durchführung gebracht; unter den zuerst vom Kaiser ernannten Mitgliedern war auch Kreil (1847). Dadurch gewann der neue Akademiker sichere Anhaltspunkte zur Ausführung seiner Pläne; er trat nun offen mit ihnen hervor und sie fanden bei der Akademie ungetheilten Beifall; insbesondere unterstützten sie die obgenannten Herrn Freiherr v. Baumgartner (Vizepräsident) und Ritter v. Ettingshausen (Generalsekretär der Akademie.) Die Akademie nahm die Bildung eines meteorologisch-magnetischen Beobachtungssystemes im Kaiserstaate in die Hand, wählte eine ständige meteorologische Kommission (aus acht Mitgliedern bestehend) aus ihrer Mitte, welche Aufforderungen zur Theilnahme erließ und die Beobachter, die sich bereit zeigten, mit den nöthigen Instrumenten versah; es ist bekannt, daß Freiherr v. Baumgartner zur Bestreitung der Auslagen, namentlich zur Herstellung der Instrumente seinen Gehalt als Vizepräsident der Akademie anwies. Durch diese großmüthige Gabe und eine von der k. Akademie votirte jährliche Subvention gelang es bald, das neue Unternehmen in Gang zu bringen, für welches auch Kreil auf seinen letzten Reisen selbstverständlich nach Kräften wirkte. Er verfaßte zur Erzielung einer gleichförmigen Behandlung der magnetisch-meteorologischen Korrespondenz eine Anleitung zu den betreffenden Beobachtungen, welche schon im folgenden Jahre (1848) in den akademischen Schriften erschien und bis 1856 drei starke Auflagen erlebt hat.
Das Beobachtungssystem blühte so rasch empor, daß die Leitung und Pflege desselben Dimensionen annahm, welchen mit den wöchentlichen Sitzungen der meteorologischen Kommission nicht mehr genügt werden konnte, es verlangte ein selbstständiges Personal, das sich ausschließlich seiner Pflege widmen konnte. Kreils Vorschlag der Begründung einer k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus kam daher dem Wunsche der Kommission entgegen, einen Meteorologen von Fach zur Leitung des Beobachtungssystemes zu berufen und diesem zugleich eine neu zu kreirende Lehrkanzel der Meteorologie an der Wiener Universität zu übertragen. Beide Pläne wurden verbunden und durch eine Allerhöchste Entschließung vom 20. Juli 1851 das genannte Institut ins Leben gerufen, Kreil zum Direktor desselben und zum Professor der Physik an der Wiener Universität, der treue Genosse seiner Bestrebungen zum Adjunkten der Centralanstalt ernannt. Es war unstreitig eine der ersten glänzendsten Thaten der jungen Akademie, die Entwürfe Kreils gepflegt und die Entstehung eines Institutes gefördert zu haben, das durch eine über die ganze Monarchie reichende Wirksamkeit ihren Namen in die entlegensten Kreise wissenschaftlichen Lebens trug und welches bei seiner großen praktischen Bedeutung geeignet war, ihre hohen gelehrten Interessen mit den unmittelbaren des Volkes, namentlich mit jenen der Bodenkultur zu verbinden.
So war denn der große Gedanke Kreils verwirklicht worden in dem ganzen und vollen Umfange seiner Entwürfe. Nach dem, was wir über seinen Ruf und seine Betheiligung an der Entwicklung der jungen Wissenschaft bereits gesagt haben, darf es nicht wundern, daß seine Fachgenossen die Bildung der neuen Anstalt und seine Ernennung zum Direktor derselben mit der wärmsten Theilnahme begrüßten und Hoffnung für die Wissenschaft daran knüpften, die wir am Besten bezeichnen, indem wir die Wichtigkeit des neuen Institutes für Oesterreich in wissenschaftlicher Beziehung mit den eigenen Worten Kreils hervorheben: „Der österreichische Kaiserstaat scheint vor Allem bestimmt, für meteorologische und klimatologische Verhältnisse die lehrreichste Schule zu werden. Theils vom Meere umflossen, theils von ausgedehnten Ebenen bedeckt, von mächtigen Gebirgsmassen durchzogen, von großen Seen und Strömen benetzt, bieten sich in ihm See- und Landklima die Hand. Die atmosphärischen Zustände, so verschieden am Meere und in Binnengegenden, auf Alpenhöhen und in Tiefländern, können überall erforscht, das Ineinandergreifen derselben, sowie die Wirksamkeit der großen Scheidewände des europäischen Klima's, der Alpen und Karpathen, hier besser als irgendwo ergründet werden“ (Festrede bei der feierlichen Sitzung der k. Akademie der Wissenschaften 1852. S. 11.).
Inzwischen war Kreil an der Prager Universität zum Ehrendoktor der Philosophie und außerdem von mehreren Akademien und gelehrten Gesellschaften zum Mitgliede ernannt worden.
Unter den Arbeiten, die er noch in Prag schrieb, war die bedeutendste jene über den Einfluß der Alpen auf den Magnetismus (1848). Sie war schon ein wissenschaftliches Resultat der ersten Reisejahre. Humboldt beurtheilte sie mit den Worten: „Ihre große Arbeit über den Einfluß der Alpen auf die Aeußerungen der magnetischen Erdkraft ist von großer Wichtigkeit und macht Ihnen, wie der Regierung, die solche Arbeiten unterstützt, bleibenden Ruhm“. (August 1851)
Unter den Auspizien dieses hohen Grußes schloß der Prager Aufenthalt. Kreil hatte während desselben in einem weiteren Kreislauf die Mailänderanfänge fortgesetzt, zu den magnetischen die meteorologischen Forschungen gefügt, sie auf Böhmen, dann auf die gesammte Monarchie ausgedehnt; er war dadurch von der Astronomie ganz abgelenkt, von der allgemeinen Wissenschaft des Magnetismus zu ihrer nächsten Anwendung auf den Boden seines großen Vaterlandes hingeleitet worden. Er kehrte zurück nach Wien, von wo er vor 20 Jahren als ein tüchtiger Astronom, aber mit den bescheidensten Hoffnungen ausgezogen war, als eine hochangesehene wissenschaftliche Autorität mit weit anderen und weit größeren Errungenschaften, als er sich je hatte träumen lassen.
Wer Kreil kannte, der wußte wohl, daß er sich in seiner neuen Stellung nicht auf das Ruhebett legen werde; vielmehr er begann einen neuen und den glänzendsten Kreislauf seines Wirkens, den zu vollenden ihm freilich nicht gestattet war. Er war jetzt an der überreich fließenden Quelle von gleichförmigem Materiale aus allen Gegenden in der Monarchie, über alle Elemente des Klima's. Das sollte nun verarbeitet werden. Was er bisher geleistet, waren für ihn doch nur vorbereitende Arbeiten, jetzt sollte dem Werke seines Lebens die Krone aufgesetzt werden und jene Wirksamkeit beginnen, welche auch für den Laien die genießbaren Früchte seines langen kämpferischen Strebens zur Reife bringen sollte. - Encke hatte in seinem Glückwunschschreiben die Hoffnung ausgesprochen, es werde eine Ueberfluthung seiner Publikationen mit einem bloßen Zahlenmeere wie es anderwärts geschehe, nicht zu fürchten, sondern deren Bearbeitung und schöne Ergebnisse zu hoffen sein; er hatte Recht. Das Bestreben Kreils lief auf ein großartiges Werk hinaus, in dem alle seine wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen niedergelegt werden sollten, auf eine allgemeine Klimatologie der Länder des österreichischen Kaiserstaates. Wir müssen auf die Konzeption dieser Idee einen Blick werfen, weil sie für seine Thätigkeit während des zweiten Wiener Aufenthaltes maßgebend geworden ist. Zunächst ist zu bemerken, daß das Hauptwerk seines Lebens nicht eine allgemeine und streng wissenschaftliche abstrakte Arbeit war, wie man ja doch von ihm eine Theorie des Erdmagnetismus oder der Meteorologie, oder des Verhältnisses beider zu einander hätte erwarten können. Vielmehr war es die fortwährende direkte Anschauung und Beschäftigung mit den Vorgängen in der Natur selbst, dann die ursprünglichen mannigfaltigen Eindrücke und Studien auf seinen Reisen, welche seinen theoretischen Ansichten zu Grunde lagen, sie belebten und erfrischten; auch die ersten Eindrücke seiner Kindheit, welche mit dem herannahenden Alter fast immer klarer und schärfer als die späteren Erlebnisse in der Erinnerung auftauchen, und die bei ihm zumeist den Landbau und die Einflüsse der Witterung zum Inhalte hatten, dürften bei dem Entwurfe seines großen Werkes sich geltend gemacht haben; es geschah daher, daß alle einflußreichen Momente seinem Geiste eine Richtung auf das Leben und seine praktischen Bedürfnisse gaben. Gerade die Brauchbarkeit der Klimatologie für diese war es, was er vorzüglich im Auge hatte; sie sollte ein für weitere Kreise zugängliches Repertorium werden, in welchem Jeder über die klimatischen Verhältnisse aller jener Orte, von denen Beobachtungen existiren, und von deren Umgebung Aufschluß erhielte. In erster Linie war es das Interesse der Kultur des Erdbodens, welches berücksichtigt werden sollte. Die rationelle Landwirtschaft sollte Winke über die wichtigsten Fragen darin finden; seit Kreil die meteorologischen Beobachtungen eingeführt hatte, war es ja sein Zweck, den Einfluß des Erdmagnetismus auf die atmosphärischen Zustände, ihre Abhängigkeit von der geognostischen Beschaffenheit der Erdrinde zu erkennen, und die Gesetze derselben zu formuliren; und der größte Theil der Beobachter in der Monarchie hatte für sich denselben Zweck im Auge; es waren meist Pfarrer und Landwirthe, denen gerade die Aufhellung dieser Beziehungen am Herzen lag. Wir müssen hiebei auch erwähnen, wie er es mit dem „Wetterprophezeien“ hielt. Er hatte nämlich, wie es schon zu gehen pflegt, auch einen unwissenschaftlichen Beinamen von seiner Thätigkeit erhalten, er hieß der „Wettermacher“. Was in den gebildeten Kreisen Scherz war – er wurde ziemlich oft für schlechtes Wetter zur Rechenschaft gezogen – das war in der unteren Klasse Ernst. Nicht selten geschah es, daß kleinere Handwerker wegen Beschaffenheit der zunächst zu erwartenden Witterung nachfragten, um sich darnach richten zu können; es lag hierin der Beweis, wie tief eingreifend in das Leben sein Fach sei. Er ließ sich freilich nie zu einer solchen Vorausverkündigung herbei; er war zwar an sich der Meinung nicht entgegen, daß, wenn erst aus vielfachen Beobachtungen die Gesetze nachgewiesen sein würden, nach welchen die Begebnisse in der Atmosphäre vor sich gingen, sichere Anhaltspunkte sich mögen gewinnen lassen zur Vorherbestimmung der Witterung. Allein dessen war er sich klar bewußt, daß ihn von dieser Entwicklungsstufe der lange vernachlässigten Wissenschaft noch eine große Strecke trenne, da er ja erst an den Anfängen derselben stand. Er war und blieb daher auch gegen die überraschendsten Wetterprophezeiungen Anderer gleichgiltig; er kannte zu gut die ungeheure Mannigfaltigkeit in den Witterungsverhältnissen, um nicht zu wissen, welchen weiten Spielraum in ihrer Prophezeiung heutzutage noch der Zufall habe. Vielmehr war er bestrebt, wo er als populärer Schriftsteller auftrat – und dies geschah öfter in Kalendern u. s. w. - den dermaligen Standpunkt der Wissenschaft in dieser Rücksicht aufzuklären und als nächstes Bedürfniß die Erkenntnis hinzustellen, nicht wie die Bodenwirthschaft nach den täglichen Schwankungen der Witterung einzurichten sei, sondern für allemal nach dem durchschnittlichen klimatischen Charakter bestimmter Orte und Gegenden. - Es sollte ferner das Sanitätswesen gewinnen, indem die Aufzeichnungen über den Gang der häufigsten und heftigsten Krankheiten mit den Erscheinungen des Klima's zusammengestellt und verglichen werden sollten (Schon während seines Aufenthaltes in Mailand behielten die dortigen Aerzte die Kombination der magnetischen Forschungen mit dem Sanitätswesen bei ihren monatlichen Versammlungen im Auge). Nicht minder behielt er die Schifffahrt im Auge. Den Gang der Ueberschwemmungen zu studiren und deren rechtzeitige Vorausverkündigung aus den Vorgängen in den Alpen und dem Eintreten stauender Winde am Ausfluß der Ströme, dann das Studium der Wasserwege zur Erleichterung der Stromregulirungen waren in weiterer Ferne stehende Gesichtspunkte, da das Materiale von Beobachtungen erst gesammelt werden mußte. Auch die Schifffahrt auf dem Meere zog er in den Bereich seiner Arbeiten, für welche die Beobachtung der Stürme und der Magnetnadel Aufschlüsse versprach. Es ergaben sich nebenher noch mehrere Berührungspunkte mit anderen Kreisen menschlicher Thätigkeit, die er in sein Projekt aufnahm; doch blieben die genannten die Hauptpunkte desselben. - Daß in diesem Umfange und trotz der Tendenz auf das praktische Leben sein Werk eine wissenschaftliche Leistung in eminentem Sinne werden sollte, braucht nicht erst gesagt zu werden; die Vergangenheit des Mannes sprach dafür, daß er eine streng wissenschaftliche Methode auffinden und anwenden werde, um die schwierigsten und sublimsten Resultate ins Leben einzuführen. Die Klarheit und Präzision seiner Darstellungsgabe war die sicherste Bürgschaft, daß das Werk in den gebildeten Kreisen jener Klassen Wurzel schlagen werde, die am meisten dabei interessirt waren.
Nach dieser Auffassung seiner neuen Stellung gestaltete sich seine weitere Thätigkeit. Er führte das junge Institut durch das gefährliche Gebiet des Anfanges leicht und kräftig hindurch; nachdem ihr Bestehen für gesichert betrachtet werden konnte, hörten die Zuflüsse außerordentlicher Unterstützungen auf, und Kreil mußte die Central-Reichsanstalt mit einer sehr geringen Dotation durchführen. Es erheischte alle seine Gewandtheit und Hingebung, um sie aufrecht zu erhalten, obwohl sie eigentlich ohnehin nur auf die freiwillige Theilnahme der Beobachter in den Provinzen gegründet war. Jedoch sie gedieh und stieg durch ihre Leistungen im Ansehen wissenschaftlicher Kreise, mochte sie auch ein so unbedeutendes Aeußere haben, daß ein französischer Gelehrter, der viel von ihr gehört und sie deshalb besucht hatte, höchlich erstaunt war, die Werkstätte so großer Dinge so schlicht und einfach zu finden. Es ließ sich auch kaum etwas Unscheinbareres denken als das Observatorium, in welchem alle selbstregistrirenden Instrumente nach Kreils Erfindung ausgeführt und aufgestellt in ruhigem unausgesetzten Zusammenwirken nach dem Pendelschlage eben so vieler Uhren die Vorgänge in der Atmosphäre aufzeichneten und Minute um Minute den Zielpunkten des Meisters näher arbeiteten. Der zarten Jugend seiner Anstalt entsprach es auch vollkommen, in Stille und Zurückgezogenheit zu erstarken; wenn sie daher im öffentlichen Leben noch nicht jene Rolle spielte, die ihr späterhin nicht wird entgehen können, so hatte das Dunkel, in welches sie sich hüllte, eine sehr gute Folge; die Gefahr der Aufhebung, welche in einem verhängnißvollen Jahre eine ältere Schwesteranstalt bedrohte, brauste über die unbemerkte jüngere vorüber. Wo aber ein bedrohlicher Angriff auf das ihr zu Grunde liegende System geschah, da erhob ihr Direktor auch seine kraftvolle und gewichtige Rede zur Vertheidigung. So war ein Franzose mit der Behauptung aufgestanden, alle die meteorologischen Beobachtungssysteme seien zu nichts da, als um ein ungeheures Materiale aufzustapeln, das am Ende doch vermodern müsse. Diese platte Ansicht, die eigentlich nicht mehr enthält als das Geständniß, der wissenschaftlichen Verarbeitung des Materiales nicht gewachsen zu sein, griff den innersten Kern von Kreils Bestrebungen an, er widerlegte sie in der „Wiener Zeitung“ mit der Darlegung seiner Ansichten, die gerade in jener Zeit von Gewicht sein mußten, in welcher er die Verarbeitung des Materiales zu seiner Hauptaufgabe machte. - Nach der oben dargelegten Auffassung seiner Stellung richteten sich ferner zwei neue Reisen, die er in den Jahren 1854 und 1858 im Auftrage der Regierung unternahm. Die erstere hatte die Untersuchung der Deklination der Magnetnadel auf dem adriatischen Meere und die Bereisung seiner Küstenländer bis Valona und Molfetta hinab zum Zwecke; die Ergebnisse erschienen gedruckt in den akademischen Schriften (Magnetische und geographische Ortsbestimmungen an den Küsten des adriatischen Golfes im Jahre 1854. Denkschriften 10. Band. Sitzungsberichte 15. Band 1855.). Und noch im 60 Lebensjahre lenkte er seine Reisen in ein ihm neues Gebiet von Europa, indem er die Donaufürstenthümer, die Türkei und das schwarze Meer mit einem Theile seiner Küstenpunkte besuchte. Dadurch wurden die früheren Reisen in der Monarchie auch auf deren südöstliche Nachbarländer ausgedehnt und so jene Lücke in den magnetischen Beobachtungen von Europa ausgefüllt, welche durch deren Mangel in jenen Gegenden entstanden war (Ein Jahr vorher (1857) hatte Lamont Spanien und Frankreich bereist und so die Beobachtungsreihe aus diesen Ländern vervollständigt.). Seine Bestimmung über die Deklination der Magnetnadel in beiden Meeren benützte bald darauf die Gesellschaft des österreichischen Lloyd in Triest bei ihren Dampfschifffahrten, wie aus einem Dankschreiben derselben an ihn hervorgeht. Ueber die letzten Reisen hatte er wie über die früheren, namentlich jene nach Italien und England, Tagebücher geführt welche noch vorhanden sind. Sie sind voll von kurzen und charakteristischen Schilderungen des Gesehenen und Erlebten, welche uns zeigen, mit welch' unermüdlicher Sorgfalt er an seiner Ausbildung auch in jenen Gebieten arbeitete, die nicht direkt zu seinem Fache gehörten, wie sehr er sich für die menschliche Kultur und ihre Geschichte, für die Kunst und für das Handwerk u. s. w. interessirte. - Das Materiale, welches von den zahlreichen Beobachtungsstationen eingesendet wurde, sammelte er in einem ähnlichen Organ, wie jenes von Prag, in einem Jahrbuche der k. k. Centralanstalt, welches auf Kosten der k. Akademie gedruckt und von ihm herausgegeben wurde. (Von 1854 bis 1861, 8 Bände). Wir finden in denselben die Namen aller jener Beobachter, die im Umfange der Monarchie sich an dem großen Werke betheiligt haben, und selbstständige Beiträge der an der Anstalt wirkenden Herren.
Nach einigen Jahren waren die Vorarbeiten so weit gediehen, daß er an die Ausführung der „Klimatologie“ schreiten konnte und zwar zuerst für jenen Theil der Monarchie, von welchem die ältesten und häufigsten Beobachtungen vorlagen, von Böhmen. Wer einen Blick in die überwältigende Masse des Materiales gethan hatte, mußte sich gestehen, daß es ein Riesenwerk sei, das auszudenken schon einen ungewöhnlichen Geist erfordere. Die Bestimmung der einfachsten Elemente machte die Berechnung einer großen Menge von Durchschnitten (Mitteln) aus einer noch größeren, fast unübersehbaren Reihe von Beobachtungszahlen nothwendig. Ihre Bearbeitung und Zusammenstellung erheischte den immer gegenwärtigen Ueberblick über die verwickeltsten durcheinander laufenden Beziehungen von Einflüssen und Hemmungen und eine Combinationskraft, die nur ein von Jugend auf durch rastlose Uebung gestählter Geist entwickeln konnte. Diese Arbeit, von welcher „die Resultate aus den magnetischen Beobachtungen zu Prag“ nur ein Vorläufer waren, führte er bis auf wenige Beigaben im Manuskript zu Ende (Da die weiteren Schicksale dieser größten Leistung des Verstorbenen der Fürsorge eines bewährten Freundes anheimgestellt wurden, so steht zu erwarten, daß dieselbe bald ihren Weg in die Oeffentlichkeit finden werde.); ja Kreil hatte inzwischen schon einen zweiten Theil der Klimatologie in Angriff genommen, der nicht minder schwierig und interessant war, jene der Alpenländer; allein es war ihm nicht vergönnt, dabei über die Vorarbeiten hinauszukommen. Er sollte das große Werk seines Lebens nicht vollenden, das selbst errichtete Denkmal nicht ausbauen. Wir mögen aber wohl glauben, daß die vollendeten Theile hinreichend Zeugniß geben werden für die Gewalt seiner Bestrebungen; die künftigen Generationen werden urtheilen können, ob sein schlichtes, im vollen Strom der Gegenwart kaum beachtetes Dasein keine Spuren zurückgelassen oder ob es tief eingegriffen habe in den Fortschritt des menschlichen Wissens und in die Anstrengungen für das Gemeinwohl des Staates; es wird sich zeigen, wie weit die Nachfolger in der Anstalt von den Bahnen werden abweichen können, die jener Mann sich vorzeichnete, dem es aufbehalten blieb, die Wissenschaft der Physik der Erde in Oesterreich zu begründen und die Länder der Monarchie für sie neu zu entdecken.
Die Ziele seiner Bestrebungen waren hervorragend aus einer durch lange und harte geistige Arbeit gewonnenen großen Anschauung der magnetischen und athmosphärischen Erscheinungen, die durch die Beschränkung auf ein bestimmt begrenztes Gebiet und auf einen bestimmten Theil der Erde an Lebendigkeit und Intensität gewann. Diese Anschauung prägte sich in seinem Wesen und seinem Leben ab. Was nämlich über die Grenzen des Gewöhnlichen geht, stellt sich einfach und gewichtig dar; so war er auch in seinem äußeren Leben, im Amte, in der Freundschaft und in der Familie, durchaus einfach und edel, offen und gerade, klar und ruhig, tolerant und voll Achtung für gegründete Meinungen und für das ernste Streben Anderer; für sich aber war er selbstständig bis zur Schroffheit und zum Stolze; daher liebte er die Reklame und den geistigen Prunk nicht, sondern haßte sie, ebenso wie die Ueberhebung, das Spielen mit ernsten Dingen und jede zwecklose Thätigkeit. Die Geduld gegen das Gewöhnliche und die vertrauenerregende Festigkeit, die sich nicht leicht überraschen ließ, mochten oft als Phlegma angesehen werden, während sie die schwererworbene Frucht der Selbstbeherrschung waren; mehr als Anderes zeugen für das Feuer seiner Seele seine Entwürfe und die Ausdauer in ihrer Durchführung. Die Wohlthaten, die er ausübte, waren nach dem Verhältnisse seiner Mittel sehr groß. Charakteristisch ist, daß er einem zerrütteten Hausstande gerne und ausgiebig aufhalf, dann aber auch mit Rath und That darauf hinwirkte, daß er durch kluge Ordnung im Geleise erhalten blieb; noch bezeichnender ist, daß er nie auf Dank rechnete oder gar einen solchen verlangte. Er sprach selten von seinem Fache, nie von seinen Leistungen. Man konnte jahrelang mit ihm umgehen, ohne von ihm zu erfahren, daß er z. B. die magnetische Kraft des Mondes entdeckt habe, oder welche Rolle er in der Entwicklung der neueren Wissenschaften seines Faches gespielt habe, wenn er auch hie und da über den dermaligen Stand derselben sprach. Um eine Auszeichnung oder irgend eine Anerkennung zu erhalten, that er nie einen Schritt, ließ auch nie diesen Wunsch durchblicken; wir sind gleichwohl überzeugt, daß sie ihn sehr erfreut haben würde, wenn sie ohne sein Zuthun durch das Gewicht seiner Leistungen hervorgerufen worden wären. Wofür er sein Leben lang kämpfte, war eine Stellung, in der es ihm möglich würde, seine Pläne ins Werk zu setzen; als er sie erreicht hatte, fand er nichts mehr für sich zu wünschen, als – Zeit, um sein Werk ausführen zu können. - Seiner großen weiten Anschauung des Lebens entsprach es auch, daß das Gebiet der überirdischen Angelegenheiten des Menschen trotz all' seiner Entwürfe und Arbeiten nie zurücktrat hinter die irdischen; er wußte mit derselben Klarheit und Einfachheit seine wissenschaftlichen Stellung und die Bedürfnisse seines religiösen Gemüthes zu vereinigen, welche durch den steten Umgang mit den imposantesten Naturerscheinungen mehr genährt, als geschwächt zu werden schienen. Nach seiner Ansicht gehörte dieser Punkt in das allergeheimste Fach der menschlichen Seele, war er die allerhöchste und feinste Aeußerung der moralischen Freiheit und daher die bezeichnendste für das Individuum. Wir würden eine Lücke in seiner Schilderung lassen, wenn wir übergingen, wie er mit der gleichen Tiefe und Treue der Ueberzeugung bestrebt war, ein ordentliches Glied der großen kirchlichen, wie der großen staatlichen Gemeinde darzustellen.
Die Last der mühevollen Arbeiten, die sein Thun und Trachten ganz einnahmen, übte in den letzten Jahren, wenn wir so sagen dürfen – einen Druck aus auf seine Geselligkeit; er isolierte sich immer mehr, sie benahm seiner Seele wohl nicht die Heiterkeit und Ruhe, allein die Schweigsamkeit wurde größer und die lebhafte Theilnahme an Dingen, die außer seinen Fache lagen, geringer. Es war als ob das rein Irdische mehr und mehr um ihn herum verstummen möchte, je näher er dem großen, beharrlich angestrebten Ziele kam; und als ob der Abglanz des nahen Abends auf sein stilles Familienleben zurückfiele, so gingen die Tage desselben in ruhiger Zufriedenheit dahin, seine Unternehmungen gediehen und er arbeitete mit immer gleicher und neuer Lust.
In den letzten Jahren seines Lebens wollte es eine glückliche Verbindung von Umständen, daß er von seinem, für die Tage des Alters zurückgelegten Sparpfennig ein sehr bescheidenes Landhaus zu Wildenhag, in der Nähe des Attersees in Oberösterreich ankaufen konnte; es steht auf einem Hügel, der für den schönsten Punkt des Attergaues gilt. Dort brachte er in stiller Abgeschiedenheit seine Ferien zu und richtete ein kleines Observatorium ein. Dort entstanden die Vorstudien zur Klimatologie der Alpenländer; denn diese Arbeiten begleiteten ihn überall. Die übrige Zeit füllte der vielgereiste angesehene Gelehrte damit aus – einen Garten um sein Landhaus anzulegen; er handhabte Karst und Spaten mit der Beharrlichkeit und Geduld, die ihm so sehr eigen war, mit derselben Verachtung der Sonnenhitze begegnend, welche er in der eisenfreien Hütte des Theresianumgartens der ärgsten Winterkälte entgegensetzen mußte, um durch drei bis vier Stunden den Magnetstab beobachten zu können. Den Landleuten jener Gegend, die ihn hochachteten, ertheilte er mannigfache Rathschläge, und es dauerte nicht lange, so hatten die umliegenden Ortschaften genau konstruirte Sonnenuhren und wurde an trüben Tagen die „Wildenhager Zeit“ die maßgebende der Umgebung.
Diese altrömische Weise seines Ferienlebens schien ein Bedürfniß seiner kräftigen Konstitution zu sein. Er war mit Ausnahme einer vorübergehenden Affektion der Gehirnhäute in Prag und des von Ungarn mitgebrachten Fiebers nie krank gewesen. Um so betrübender war die Wendung, welche eine Lungenentzündung, die ihn am 24. November v. J. auf das Krankenlager brachte, nach kurzer Zeit nahm; durch drei Tage schwebte er in der Gefahr zu ersticken. Nachdem er alle Momente durchgemacht hatte, die einer gefühlvollen Brust die Stunden des großen Abschiedes erschweren müssen, nachdem er auch in dieser qualvollen Zeit die Fassung und Ergebung nicht verloren hatte, änderte sich der Lauf der Krankheit zur entschiedenen Besserung; die freudige Hoffnung der Genesung bereitete ihm die letzten schönen Stunden. Am 19. Dezember raubte ihm die plötzliche Bildung eines ungewöhnlich starken Exsudates im Gehirn das Bewußtsein. Das kräftige Leben widerstand der Verwüstung, die jenes in seinem Körper anrichtete, noch 52 Stunden, bis die völlige Lähmung in Gehirn und Lungen eintrat; er starb bald nach vollendetem 64. Lebensjahre am 21. Dezember 1862. Der Wunsch, noch einige Jahre seinen Arbeiten leben zu können, wurde ihm nicht gewährt, dagegen vielleicht ein für ihn bezeichnender, den er in einem Briefe aus dem Jahre 1837 ausspricht: „Ich wünsche mir nicht alt zu werden: es mag dauern, so lange das Werk gut geht, dann aber schnell enden“.
Seine Leiche wurde am 23. Dezember im Matzleinsdorfer Friedhofe beerdigt.
Quelle:
KENNER, Friedrich 1863: Karl Kreil (Gestorben am 21. Dezember 1862) Eine biographische Skizze. Seperatabdruck aus der Österreichischen Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben. (Nr. 10, 11 und 12), Wien
Literatur:
RABENALT, P. Ansgar 1977: 1976 – 1977 – 1978 Briefwechsel von zwei berühmten Männern. In: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster, 120. Jahresbericht. Wels, 183−244.
REICH, Karin & ROUSSANOVA, Elena 2016: Der Briefwechsel zwischen Karl Kreil und Alexander von Humboldt, ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des Erdmagnetismus. In: Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien HiN XVII, 33, 50-71