Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Mai 2000



Stenopterygius
Stenopterygius quadriscissus
277 x 100 cm
Foto: P. Amand Kraml


Ein folgenschwerer Dreikönigshaustus, oder:
Wie die Sternwarte zum Ichthyosaurus kam

1. Der Dreikönigshaustus 1906

Beim Dreikönigshaustus im Jahre 1906, es war der erste in der Regierungszeit von Abt Leander Czerny, ergab es sich, dass das Gespräch auf die schwäbischen Städte und Städtchen kam. Der Kustos der Sternwarte und begeisterte Geologe, P. Leonhard Angerer, verband natürlich mit dieser Gegend gleich die Fundstellen von Ichthyosauriern. Da Abt Leander bereits bei seinem ersten Besuch der Sammlungen als Abt versprach, etwas besonders Schönes für die Sternwarte zu kaufen, wagte P. Leonhard die Bitte, der Abt solle auf einer Reise in die schwäbischen Städte 100 Kronen mehr mitnehmen und dafür für die Sternwarte ein solches Fossil kaufen. Mit dem Versprechen, den Ichthyosaurier zu bekommen, auch wenn aus der Reise nichts werden sollte und von den übrigen Brüdern "fast beneidet", begab sich P. Leonhard, "baff über diese Freigebigkeit" des Prälaten, zu Bett. (Tagebuch, S 77)
Am folgenden Tag wird sofort "Pater Ursi", der k.k. Reichsgeologe Othenio Abel, eingeweiht. Othenio Abel war ein sehr guter Freund unserer Sammlungen, dem wir neben der Aufstellung des Höhlenbären aus der Lettenmayrhöhle noch vieles andere verdanken. Dr. Abel sollte bei der Beschaffung des Fossils behilflich sein.


2. Die Qual der Wahl

Schon am 8. Jänner informiert Professor O.Abel P. Leonhard, er habe mit dem Schieferwerk A. Hauff in Holzmaden Kontakt aufgenommen. Die Vorfreude dürfte auch bei ihm recht groß gewesen sein. Noch sind die von Bernhard Hauff versprochenen Fotografien verfügbarer Ichthyosaurierpräparate nicht eingetroffen, macht Abel schon recht konkrete Vorschläge über die Aufstellung des erwarteten Prachtstückes. Am 1. Februar ist es dann so weit: Vier Fotos sind eingetroffen. Nun beginnt die Qual der Wahl. Das schönste der vier Exemplare kostet 600 Mark, das ist ungefähr das Sechsfache von dem Betrag, den der Abt in Aussicht gestellt hat. Abel vertut sich bei der Umrechnung von Mark in Kronen und glaubt, es blieben zwei Exemplare zur Wahl, denn das vierte Stück "ist ganz schlecht und überhaupt auszuschalten. Man sieht gar nichts daran." (Brief v. 1.II.)
Nun stellt sich aber der Umrechnungsfehler heraus und es gibt "lange Gesichter und besorgte Mienen" (Tagebuch, S 78), denn mit Ausnahme des von Abel bereits ausgeschalteten liegen alle über dem 100-Kronen-Limit. Die Bilder und die Preisliste werden dem Abt übergeben. Und der arme Kustos zerbricht sich den ganzen Tag den Kopf, wie er wohl zu Geld käme und doch das Prachtstück des Angebotes finanzieren könne. Doch der Prälat setzt dem Grübeln ein Ende, indem er P. Leonhard eröffnet, es gäbe noch Geld aus dem Nachlass eines Mitbruders, das er zum Ankauf des schönsten der 4 Exemplare verwenden wolle, denn mit einem mittelmäßigen Stück hätte doch längere Zeit niemand viel Freude, und er möchte für die Sammlung ein Kabinettstück haben, das wo anders fehle. Nun ist die Finanzierung durch die "Munifizenz" des Herrn Prälaten geklärt. Bernhard Hauff wird verständigt, den Ichthyosaurier zu liefern, Professor Abel gebeten, diesen in Wien zu empfangen und die Zollformalitäten zu erledigen.

3. Transport und Aufstellung

Nach einigen Schwierigkeiten am Hauptzollamt in Wien kann das Fossil in den Räumlichkeiten der Kaiserlich- Königlichen Geologischen Reichsanstalt unter Beisein von P. Ignaz, der zu dieser Zeit zum Lehramtsstudium der Naturgeschichte in Wien weilt, kontrolliert werden und per Bahn nach Kremsmünster geschickt, wo unser Objekt am Stiftsbahnhof bis zum Benediktitag (21. 3.) eintreffen soll. P.Leonhard verfasst inzwischen einen Aufsatz für das "Linzer Volksblatt". Der Artikel mit dem Titel "Aus dem Mittelalter der Erde" erscheint an diesem Tag, interessierte Mitbrüder aus den Pfarren ebenfalls, nicht aber das Tier aus der Zeit der Schachtelhalmwälder. Die kindliche Freude, als es dann endlich so weit ist, schildert am besten der Abschnitt aus dem Tagebuch der Sammlungen von P. Leonhard Angerer: "Endlich am 22.3., 10 Uhr kam der Bahndiener der Welser Bahn mit dem Aviso und übernahm die Hereinlieferung bis 2 Uhr zum mathematischen Thurm. Der Herr Prälat und viele Mitbrüder und Studenten warteten auf das Fossil. Aber es wurde 1/2 3, niemand kam. Der Mechaniker und der Turmdiener gingen hinaus und fanden den Fuhrmann und den Stationsdiener ratlos vor der Kiste und plagten sich vergeblich, sie zu heben. Die 4 Männer hoben sie nun auf den Wagen, der Turmdiener ritt auf der Schmalseite der aufgestellten Kiste (Hauff hatte gewarnt, die Kiste plattliegend zu tragen) herein. Sie wurde auf der Bierleiter der Bierschenke herabgelassen, von 6 Männern ins geologische Kabinett (im Erdgeschoß, heute Depot) getragen und aufgeschraubt. Allgemeine Bewunderung und Freude beim Anblick des herrlichen Stückes! Dann riet mir jemand, die Menge Leute gleich zum Hinauftragen in das Paläontologische Kabinett zu benützen, und so schlossen wir die Kiste der Sicherheit wegen wieder zu, legten Tragbänder unter und trugen alle, angefangen vom Herrn Prälaten bis zum letzten Konventdiener, alle die gerade Glieder zu haben meinten, das Fossil hinauf in den 1. Stock in die Mitte des rückwärtigen Ganges. Tischler Soyka von Kirchberg mußte in den nächsten Tagen die schiefen Auflagen auf den langen Tisch anschrauben, dem harten Rahmen des Präparates einen weichen dicken Rahmen unterlegen, der Glaser brachte gleich die Glastafeln, Ecker (Mechaniker der Sternwarte) legte Bänder zum Ausheben der Tafeln unter, dann wurde der ursprügliche Eichenholzrahmen wieder aufgeschraubt, das Ganze angestrichen und der Herr Prälat zur Kollaudierung eingeladen. Derselbe war mit der Aufstellung zufrieden. Am Fenster rechts wurde eine Tafel angebracht, auf welcher Dr. Abel alle zoologischen und geologischen Notizen über Ichthyosaurus zusammen stellte. Darüber wird das Bild des Herrn Prälaten Leander hängen mit der Unterschrift: Hoc studiis nostris addidit Pater ipse iuvamen. ... In den folgenden Tagen war ich regelmäßig von 11 - 12 Mittag im paläontologischen Kabinett um den Besuchern, besonders kleinen und großen Studenten unsere tadellose und neuerste Aquisition zu zeigen." (Tagebuch, S 81-84)

4. Stenopterygius megalorhinus HUENE

Stenopterygius quadriscissus, wie diese Art Fischsaurier von dem Paläontologen Quenstedt benannt wurde, ist ein Bewohner der Meere der oberen Lias Süddeutschlands. Bei unserem Exponat sind auch Teile des Mageninhalts erhalten geblieben. Die Fischsaurier bewohnten, durch ihre Körperform bestens ans Wasserleben angepasst, vor etwa 190 Millionen Jahren die Meere. Von Exemplaren in anderen Museen wissen wir, dass diese Tiere lebendgebärend waren.
Im Jahre 1922 erschien die umfangreiche Monographie von Friedrich Frh. v. Huene "Die Ichthyosaurier des Lias und ihre Zusammenhänge". In diesem Werk beschreibt Huene die Stenopterygius-Art megalorhinus. Nun ist unser Ichthyosaurier das beste Exemplar dieser Art, und Huene gibt ihn als Typus-Beleg seiner Artbeschreibung an. Damit ist unser Ichthyosaurier nicht nur ein sehr schönes Ausstellungsstück, er ist auch zum wissenschaftlich bedeutendsten Objekt unserer Sammlungen geworden.

5. Restaurierung 1976

Bei der Neuaufstellung für die Landesausstellung des Jahres 1977 zeigt sich, dass das Skelett starke Haarrisse und Abdrückstellen aufweist, die im gesamten Skelettbereich besonders durch Feuchtigkeit und falsche Oberflächenbehandlung im Bereich des Magens durch fossilen Mageninhalt entstanden sind. Daher wird am 17. Mai 1976 das Ausstellungsobjekt nach Holzmaden transportiert und die deutsche Spezialfirma Gotthilf Fischer damit betraut, den weiteren Verfall aufzuhalten durch vollständiges Schließen der Risse mit Spezialkitt, durch Auskitten aller Abdrückschäden und durch Entfernen der aufgebrauchten Oberflächenschicht. Neben diesen unbedingt notwendigen Maßnahmen wird das Skelett aber noch in eine bruchroh gespaltene Originalschieferplatte umgebettet. Die Firma Gotthilf Fischer hat ähnliche Sanierungsarbeiten bereits für das Haus der Natur in Salzburg und das Naturhistorische Museum in Wien ausgeführt. Mitte September trifft das bestens restaurierte Fossil wieder in Kremsmünster ein.


Quellen und Literatur:


ANGERER, P. Leonhard, Tagebuch der Naturalienkabinette in Kremsmünster I, 1902-1911.

ANGERER, P.Leonhard, Tagebuch der Naturalienkabinette und des botanischen Gartens in Kremsmünster II, 1912-1933.

ANGERER, P.Leonhard, 1906: Aus dem Mittelalter der Erde, in: Linzer Volksblatt vom 21.3.1906.

ABEL, Othenio, Briefe an P.Leonhard Angerer 1906 und 1922.

HOFMEISTER, Lothar 1976: Gefahr für Prachtstück der Sternwarte Kremsmünster, in: 119. Jahresbericht Schuljahr 1976 Öffent. Gymnasium der Benediktiner zu Kremsmünster, Kremsmünster, 58-59

HUENE, Friedrich Frh.v., 1922: Die Ichthyosaurier des Lias und ihre Zusammenhänge, Verlag Bornträger, Berlin.

Briefwechsel mit Gotthilf Fischer, Holzmaden 1976.

KRAML, P. Amand, 1988: Ein folgenschwerer Dreikönigshaustus, oder: Wie die Sternwarte zum Ichthyosaurus kam, Heft Nr. 14 der Berichte des Anselm Desing Vereins, Dezember 1988.


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Letzte Ändererung: 2021-09-16