aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Juli 2004
Unter den vielen Geräten, die vom Augsburger Instrumentenbauer Georg Friedrich Brander angeschafft wurden, befindet sich auch ein Proportionalzirkel. Er trägt auf der Seite mit der Herkunftsaufschrift fünf Paare "Perspectivae Liniae". Johann Heinrich Lambert nennt diese Seite in seiner Beschreibung (S. 18) die "perspectivische Seite" . Die Rückseite, bei Lambert (S. 20) als die "geometrische" bezeichnet, trägt fünf weitere Linienpaare, nämlich: Lin. Arithm., Tang., Sectant., Sinus und Ellipt.
Eine Beschreibung, was ein Proportionalzirkel ist, findet sich bei J. H. Lambert (S. 13-14): " Viele mögen etwann wissen, was ein Proportionalzirkel ist. Den übrigen müßte ich sagen, daß sie sich eben unter diesem Worte nicht einen gemeinen Handzirkel vorstellen. Es ist ein Instrument, das sich eben so wie ein Zirkel öfnen und schließen läßt. Aber anstatt daß der gemeine Zirkel zween zugespitzte Füße oder Schenkel hat, so hat der Proportionalzirkel zwar auch zween Schenkel, aber sie sind nichts wenigers zugespitzt, sondern durchaus platt, eben und viereckicht, 6, 8 und mehr Zoll lang, etwann 1 Zoll oder mehr breit, und eine oder 2 Linien dicke, von Holz, Metall, Helfenbein ec. verfertigt. Aus dem Mittelpunkt des Nagels, um welchen sich beyde Schenkel bei dem Auf= und Zuschließen drehen, sind auf der flachen Seite beyder Schenkel gerade Linien gezogen, und in gleiche oder nach gewissen Regeln in ungleiche Theile getheilt, so wie si die Absicht und der Gebrauch des Proportionalzirkels fordert. Auf dem perspectivischen Proportionalzirkel ist diese Abtheilung dazu eingerichtet, damit man auf eine sehr leichte Art perspectivische Risse verzeichnen könne. Daher kommen auf einige bemeldter Linien solche Abtheilungen vor, wodurch sich auf den perspectivischen Rissen die Verkürzungen der in die Ferne hinausgezogenen Linien, Seiten von Gebäuden, Alleen ec. bestimmen, und abfragen läßt. Eine andere bemeldter Linien ist in gleiche Theile getheilt, und noch eine andere dergestalt in ungleiche Theile, daß sich dadurch die Winkel der auf den perspectivischen Rissen schief laufenden Linien, Seiten von Gebäuden, Alleen ec. bestimmen lassen."
Die Bestellung eines "Perspectivischen Proportionalzirkels" durch P. Placidus Fixlmillner bei Brander ergibt sich aus Branders 4. Brief an Fixlmillner vom 27. März 1768: "Die Piece vom Perspectivischen Proportional Zirkel werde sehen durch einen nacher Wien dismahl reisenden Kaufman oder von denen Barometer Machern einen an dieselben mitzugeben. Von diesen Proportional Zirkeln sind bereits welche von Holz weil die ganz Messinge manchen Liebhaber zu theuer seyn, zu haben u zwar f 5 od 1 Ducaten das Stück. Sie leisten das nemliche was die Messinge u sind nicht so schwer u das schmuzen auf den Pappier."
Auch der 5. Brief Branders an Fixlmillner vom 2. September 1768 handelt von dem Proportionalzirkel und seiner Beschreibung: Auf die unvorgesehene Ehre Ew Hochwürden angenehmes diene in ergebenster Antwort: daß wan sich eine Gelegenheit zeigen sollte etwas an Ew Hochwürden zu übermachen, so wird die verlangte Beschreibung von Perspectivischen Proportional Zirkel nebst der Dissertation von RP. Aman des Sektors betreffent durch den Postwagen an Hochdieselben gehen lassen wobey gleich einen hölzern solchen Proportional Zirkel beylegen werde.
Und noch zwei Monate sollte es dauern, bis der Proportionalzirkel endlich den Weg von Augsburg nach Kremsmünster antritt: Ich habe mir alle Mühe gegeben den Perspectivischen Proportional Zirkel durch die auf Wien reisenden Kaufleuten Ew Hochwürden zu kommen zu machen, es hat sich aber keine Gelegenheit gezeigt u diejenigen die darum angesprochen geben vor es wäre auf den Mauttern schwer verboten was mitzunehmen. Habe ihn also nächst der Beschreibung u der Dissertation des Sectors den Postwagen aufgegeben, als durch welchen Hochderselben werden zu erhalten haben. den Betrag hievon habe mit f 6 notirt. (6. Brief Branders an Fixlmillner vom 8. November 1768)
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BRACHNER, Alto (Hrsg.), 1983: G. F. Brander, 1713 - 1783, wissenschaftliche Instrumente aus seiner Werkstatt, München
FELLÖCKER, P. Sigmund, 1864: Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz
LAMBERT, J. H., 1768: Kurzgefaßte Regeln zu perspectivischen Zeichnungen vermittelst eines zu deren Ausübung so wie
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LAMBERT, J. H., 1772: Kurzgefaßte Regeln zu perspectivischen Zeichnungen vermittelst eines zu deren
Ausübung so wie auch zu geometrischen Zeichnungen eingerichteten Proportionalzirkels, Augsburg [mit 2 Taf.]
RABENALT, P. Ansgar, 1985: Briefe Friedrich Branders, mechanici in Augsburg an Placidus Fixlmillner OSB 1.
Direktor der Sternwarte Kremsmünster (Ein Beitrag zur Gründungsgeschichte des "Mathematischen Turmes"
von Kremsmünster, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige,
Jg. 1985, Bd 96, I/II, 144-195