aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
September 2010
Bild im Archiv der Sternwarte
Die erste Phanerogamenflora von Kremsmünster verdanken wir P. Gotthard Hofstädter (1826 - 1864). Er ist für die botanischen und chemischen Sammlungen der Sternwarte verantwortlich und bringt in seinem 1862 erschienenen Artikel „Vegetationsverhältnisse von Kremsmünster und Umgebung“ eine Liste der in Kremsmünster vorkommenden Pflanzen mit ihrer Verbreitung, vielen Fundortsangaben und mit ihrer Phänologie.
P. Lambert Guppenberger (1839 - 1907) wird 1872 am Gymnasium der Nachfolger von P. Klaudius VIEHAUS (1827 - 1886)
als Lehrer für Naturgeschichte und bringt als solcher 1873 und 1874 eine Kremsmünsterer Bestimmungsflora in zwei
Bändchen heraus. Er erweitert darin die Verbreitungsangaben von HOFSTÄDTER um einen Bestimmungsschlüssel.
Die „Anleitungen zum Bestimmen“ von J. K. MALY, von CÜRIE und von LORINSER und die Niederösterreichflora
NEILREICHs dienen ihm als Orientierung. Guppenberger bringt nur einige wenige zusätzliche Verbreitungsangaben.
Als Anhang ist in einigen Bändchen eine lithographierte dreifärbige Landkarten-Skizze der Umgebung von Kremsmünster
(28,5 x 25 cm) eingeklebt. Sie ist signiert mit Jos. Dümler 1873.
Da die Vorworte der beiden Bändchen Bände sprechen, seien sie hier als Ganzes wiedergegeben:
Vorwort.
Schon als im Jahre 1862 der sel. P. GOTTHARD HOFSTÄDTER im Schulprogramme ein „Verzeichniß der im Gebiete
(von Kremsmünster und Umgebung) wildwachsenden Gefäßpflanzen" veröffentlichte, drängte
sich mir der Gedanke
auf, selbes zur Grundlage und zum Ausgangspunkte für einen Handweiser zur Bestimmung der darin enthaltenen
Gattungen und Arten zu nehmen; doch wollte ich die Arbeit nicht Kundigeren vorweg nehmen, um soweniger, da mich
selbst Verhältnisse weit von ihr abzogen. — Niemand wollte sich aber bisher dieser Mühe unterziehen; ich meinte
daher, da mich unerwartete Umstände nach einem Decennium zum Nachfolger und Facherben HOFSTÄDTER'S machten,
nicht länger zuwarten zu müssen, sondern rasch an die Arbeit zu gehen, um jenen Anfang seinem Ziele näher
zu bringen. Zwar wollten mich mancherlei Bedenken wieder von meinem Vorhaben abbringen, aber ich setzte sie
alle bei Seite, und so entstand das nunmehr vorliegende Werkchen, das sich mit der Bestimmung der hier zu
Lande wildwachsenden Gefäßpflanzen beschäftigt, ganz im Anschluß an die erwähnte Programmarbeit, von der
ich nur dadurch abwich, daß ich auch die gewöhnlichsten und bekanntesten Kulturpflanzen der Gegend aufnahm. —
Binnen Jahr und Tag — so Gott will — soll der zweite Theil der Arbeit erscheinen, der sich mit der
Bestimmung der einschlägigen Arten beschäftigen wird. Demselben will ich auch ein Landkärtchen beifügen.
Bei der Bestimmung der Gattungen ging ich nach DE. J. C. MALY'S „Anleitung zur Bestimmung der Gattungen
der in Deutschland wildwachsenden und allgemein kultivirten Pflanzen" (Wien 1848) vor unter Beiziehung
der verwandten Werke CÜRIE'S und LORINSER'S, sowie A. NEILREICH'S „Flora von Niederösterreich".
Letzteres Werk wird auch die Grundlage für den zweiten Theil zur Bestimmung der Arten bilden.
Ich glaubte mich allenthalben an meine Vorlagen halten zu können und dieselben nur den lokalen
Verhältnissen anpassen zu müssen; denn meine Absicht war nicht, Neues der wissenschaftlichen
Welt zu bieten oder Altes in neues Gewand zu hüllen, sondern ich wollte die schon gewonnenen.
Resultate benützen, um in unserer studirenden Jugend den Eifer für das Studium der Natur noch
zu vermehren, indem ich ihr dasselbe erleichtere.
Es ist hier nicht der Ort, vom Werth der Naturwissenschaften zu reden; auch hieße es Wasser
in die Donau tragen, wollte man heut zu Tage noch ein Wort darüber verlieren; aber das kann ich
Jedermann versichern, daß ich mich für meine Arbeit hinlänglich belohnt halte, wenn ich den vorher
angedeuteten Zweck damit erreiche. — Sonst mag man mein Büchlein loben oder tadeln, es steht
Jedem frei; mir ist das weder lieb noch leid. —
Mängel werden sich an dem Werkchen, um so eher und mehr herausstellen, je fleißiger es benützt wird;
die Erfahrung wird manche Verbesserungen verlangen und diese sollen auch in Zukunft nicht unterbleiben.
Kremsmünster, im August 1872.
Der Verfasser.
(Guppenberger, 1873, III-VI)
Einleitung.
Zwar hätte ich hinlängliche Veranlassung, einige Worte über die theils freundliche, theils
unfreundliche Aufnahme des I. Theiles meines Buches vorzubringen und war stark versucht,
namentlich in letzterer Richtung an gewisse Adressen etwas zur Erinnerung zu sagen, finde es
aber vernünftiger, statt dessen eine kleine Anweisung zu geben, durch die Anfänger — für
solche ist ja das Buch berechnet — mit dem Gebrauche meines Werkes vertraut werden können.
Vor allem bemerke ich, dass die in den Tabellen angewandten Ausdrücke möglichst so gewählt
wurden, dass sie bei einiger Ueberlegung und vergleichender Beobachtung sich selbst
erklären, so dass selbst einer, der noch nicht mit den in der Botanik gangbaren Terminis
vertraut ist, wenn er einiges Salz im Kopfe hat, dieselben verstehen muss.
Um aber einen Begriff von der Methode zu geben, nach der man mittelst des vorliegenden
Buches zur Kenntniss der Gattung und Art einer noch unbekannten Pflanze gelangen kann, will
ich das Vorgehen durch ein Beispiel begreiflich machen.
Gesetzt, ich fände eine blühende Rainweide (Ligustrum), ohne sie aber zu kennen und ich
wollte wissen, mit was für einem Gewächs ich es zu thun habe, so schlage ich in
Tabelle I. Nr. 1 auf und erfahre dadurch, dass ich eine phanerogame Pflanze vor
mir habe; zugleich werde ich dadurch auf Nr. 2 verwiesen und durch dieses auf
Nr. 4, von dort auf Nr. 5 und 6. Die Gegensätze der letzteren Angabe sind so
unzweifelhaft, dass sie auf Nr. 157 führen müssen, da der andere Fall (für Nr. 262) —
wie der Augenschein zeigt — durchaus nicht anwendbar ist. Somit kann ich mit
der grössten Seelenruhe alle folgenden Nummern überschlagen und gleich bei 157 (S. 25)
weiterfahren. Auch dort kann kein Zweifel sein, ob man der weiter führenden Zahl 158
oder 246 folgen soll, wenn man anders versteht, was „oben" und „unten" ist. So gelangt
man für das gewählte Beispiel auf Nr. 159, 160, 161 und findet die Merkmale zutreffend
für „Ligustrum vulgare", so dass Gattung und Art mit einem Schlag bestimmt sind.
Sollte nun Jemand sich für den deutschen Namen interessiren, so nehme er Tabelle II,
schlage dort im Register „Ligustrum" nach und er wird dann mittelst der
Registerangabe mit Leichtigkeit den deutschen Namen auffinden. Hat man sich bei der Bestimmung
einer Pflanze geirrt, so wird man bald auf den Fehler aufmerksam werden, wenn die Angaben
des Buches mit der vorliegenden Pflanze nicht mehr harmoniren. Man lasse sich dann anfangs
die Mühe nicht gereuen, nochmals von Nr. 1 zu beginnen und bei dem neuen Bestimmungsversuch
genauer zu beobachten, und der Fehler wird bald behoben sein. Später, wenn man einmal mehr
Uebung hat, kann man den Fehler auch dadurch leicht entdecken, dass man von der Nummer, bei
der man darauf aufmerksam wurde, auf jene Zahl zurückkehrt, durch die man zuletzt auf diese
Nummer kam und dieses Rückwärtsschreiten so lange fortsetzt, bis man den gemachten Fehler
gefunden. — Bei grösserer Uebung ist es nicht mehr notwendig, stets bei Nr. 1 anzufangen,
da man gleich etwa den zusammengesetzten Blütenstand erkennen wird, so dass man die Bestimmung
der Gattung gleich mit 426 anfangen kann, oder man sieht ein Doldengewächs vor sich und weiss
nun auch, dass man alsogleich mit Nr. 393 beginnen könne u. dgl.
Wer noch mehr Uebung hat, mag sogleich die Gattung, zu der eine aufgefundene Pflanze gehört,
erkennen. Zweifelt er aber an der Richtigkeit seiner Meinung, so schlage er sich im Register der
Tabelle I. den vermuteten Gattungsnamen nach und vergleiche von der angegebenen Nummer aus
retrograd die im Buch angegebenen Merkmale mit denen der vorliegenden Pflanze und bald wird
sich die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der aufgestellten Meinung erweisen.
So oder so, jedenfalls wird man aus Tabelle I. die Gattung — bisweilen sogar die Art —
der gesuchten Pflanze kennen lernen. Nun nehme man Tab. II., suche dort im Register den
erhaltenen Gattungnamen nach und lasse sich dadurch auf die Stelle verweisen, an der
die zur gefundenen Gattung gehörigen Arten bestimmt sind. Es wird dann keine Schwierigkeit
mehr sein, die Species herauszubringen, zu der das fragliche Exemplar gehört, wenn man
anders dieselben Prinzipien festhält, denen man schon bei der Bestimmung der Gattung zu folgen hatte.
Kremsmünster, im September 1873.
Der Verfasser.
(Guppenberger, 1874, III-VI)
CÜRIE, P. F., 1835: Anleitung die im mittleren und nördlichen Deutschland wildwachsenden Pflanzen
auf eine leichte und sichere Weise durch eigene Untersuchung zu bestimmen, 2 Bde. Kittlitz.
GUPPENBERGER, P. Lambert, 1873: Anleitung zur Bestimmung der Gattungen der in Kremsmünster und Umgebung wildwachsenden
und allgemein kultivierten Pflanzen, Linz.
GUPPENBERGER, P. Lambert, 1874: Anleitung zur Bestimmung der Arten der in Kremsmünster und Umgebung wildwachsenden und
allgemein kultivierten Pflanzen, Linz.
HOFSTÄDTER, Gotthard, 1862: Vegetations-Verhältnisse von Kremsmünster und Umgebung in:
Programm des k. k. Gymnasiums zu Kremsmünster Bd. 12, 3-34.
KRAML, Gerhard (P. Amand) 2001: Flora Cremifanensis. Analyse historischer und aktueller Verbreitungsmuster der
Farn- und Blütenpflanzen in der Umgebung von Kremsmünster (Oberösterreich) auf Grundlage einer
Feinrasterkartierung, Diss, Universität Wien
KRAML, Amand, 2010: Botanisches Sammeln in Kremsmünster. Vom Apothekergarten zur Verbreitungsdatenbank,
in: Klösterliche Sammelpraxis in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Georg Schrott und Manfred Knedlik, Nordhausen
LORINSER, Gustav, 1854: Botanisches Excursionsbuch für die deutsch-österreichischen Kronländer und das
angrenzende Gebiet, Wien.
MALY, Josef Karl, 1858: Anleitung zur Bestimmung der Gattungen der in Deutschland wildwachsenden und allgemein
kultivierten Phanerogamischen Pflanzen nach der sehr leichten und sicheren Analytischen Methode. Zum Gebrauch für die
Besitzer von KOCH’s Synopsis und Taschenbuch, und von KITTEL’s Taschenbuch der Deutschen Flora, 2. Aufl., Wien.
NEILREICH, August, 1859: Flora von Nieder-Oesterreich. Eine Aufzählung und Beschreibung der im Erzherzogthume
Oesterreich unter der Enns wild wachsenden oder in Grossem gebauten Gefässpflanzen, nebst einer
pflanzengeographischen Schilderung dieses Landes, Wien.