aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
November 2014
signiert: G. Starke
April 860
Ein Vertikalkreis ist ein astronomisches Winkelmessgerät, das dem Meridiankreis ähnlich, aber in
Azimut und Höhe drehbar ist. Es dient zur absoluten Deklinations-Bestimmung von Gestirnen.
Der Zustand unseres Instrumentes ist durch seine langjährige Aufstellung in der Ostkuppel recht schlecht,
dass das Fernrohr gebrochen ist, meint aber nicht, dass es kaputtgegangen sei, sondern als gebrochenes
Fernrohr bezeichnet man Fernrohre, deren Strahlengang um 90° zur Seite in die Achse horizontal
abgelegt ist. Ein Hilfsspiegel oder ein Umlenkprisma in der halben Brennweite bewerkstelligt diese
Umlenkung.
Bei P. Sigmund Fellöcker finden wir
in seiner Geschichte der Sternwarte unser Gerät als Passage-Instrument angeführt.
Er vermerkt auch, dass das Gerät ein Geschenk von
P. Marian Koller an die Sternwarte war.
2. Ein Passage-Instrument mit gebrochenem Fernrohr von 24 Linien Objectiv-Oeffnung und
24 Zoll Focallänge, einem 10zölligen Vertical - und einem 8zölligen Horizontalkreis; 2 Mikroskope am Verticalkreise
geben 1 Secunde, 2 Nonien am Horizontalkreise 20 Secunden. Das Instrument wurde im Jahre 1861
nach den neuesten Grundsätzen der astronomischen Mechanik ausgeführt von Herrn Gustav Starke, Vorsteher
der astronomisch-mechanischen Werkstätte des k. k. polytechnischen Institutes in Wien , und kostete (sammt
Verpackung) 894 fl. ö. W. Es ist vorzugsweise zu Beobachtungen der Gestirne im ersten Vertical (von Ost nach
West) bestimmt. Director A. Reslhuber lies dafür eigens den
südöstlichen Pavillon auf dem Plateau der
Sternwarte nach dem Bauentwurfe des Herrn k. k. Finanzrathe Latzel in Wien adaptirten, mit einer Drehkuppel versehen
u. s. w. Das Instrument dürfte ein Paar Jahre in Professor Stampfer's Benützung gewesen sein (vergl.
Koller's Brief an A. Reslhuber vom 5. September 1860). Hier wurde es jedenfalls erst im Jahre 1864 und zwar
von Koller selbst aufgestellt und rectificirt (laut Bericht an Stampfer vom 6. Juni 1864). (Fellöcker, 282)
Die Bemerkung, dass das Gerät erst 1864 aufgestellt wurde, dürfte falsch sein, da P. Kolumban Fruhwirth
in seinen Beiträgen zum Tagebuch des Stiftes Kremsmünsters für August und September 1861 vermerkte:
Der neue, aus Wien angekommene Vertical-Kreis wurde Mitte dieses Monates in dem für den selben oben
auf der Sternwarte im vorigen Jahre adaptirten Lokale gegenüber dem des Refraktors aufgestellt unter
Mitwirkung des Professors am k. k. Polytechnischen Institute Dr. Herr, der mit seinem Schwiegervater
Professor Simon Stampfer, den Physikprofessor Kuncek [= Kunzek] u. Ministerialrath Pater Marian Koller einen
Teil des Augusts hier zubrachte. (Fruhwith, 35)
Anlässlich dieses Aufenthaltes wurde von Fellöcker auch eine Fotografie angefertigt, von der in diesem
Tagebuch auch ein Abzug eingeklebt ist.
Der Tubus des Fernrohrs trägt die Gravur K. K. polytechn. Institut in Wien Chr. Starke.
Leider ist sie durch den schlechten Zustand des Gerätes nur mehr schlecht zu lesen.
Bei der oben angeführten Kuppel, in der der Vertikalkreis Aufstellung fand, handelt es sich um die östliche Kuppel,
auf der lange Zeit die Antenne der Stiftsfernsehanlage montiert war. Heute ist zwar die Antenne wieder entfernt,
die Fernsehanlage des Stiftes ist allerdings immer noch in dieser Kuppel untergebracht.
Ein ähnliches - etwas kleineres - Gerät wird in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften in Wien
im Bericht über die Sitzung vom 8. Juli 1858 beschrieben:
Herr Gustav Starke übersandte ein kleines Passage- und
Höhenmess-Instrument, welches in der unter der Leitung des Herrn
Christoph Starke (Vater) stehenden Werkstätte des k. k. polytechnischen
Institutes in Wien so eben verfertigt worden.
Die Basis des Instrumentes bildet ein gusseiserner Dreifuss mit
drei Stellschrauben zum Nivelliren der Horizontalaxe. Die vertikale
ebenfalls gusseiserne Säule ist durchbohrt und dient als Büchse der
am Dreifuss festen Vertikalaxe, um welche die Azimuthalbewegung
des ganzen Instrumentes erfolgt.
Der horizontale Aufsuchkreis, mittelst eines Nonius von 30 zu
30 Sekunden getheilt, ist an der Säule fixirt. Die Klemmung und feine
Bewegung im Azimuth geschieht durch den über dem Horizontalkreis
liegenden Arm, welcher die vertikale Säule umfasst und durch die
Klemmschraube fest an dieselbe angedrückt wird.
Der Vertikalkreis von 8 Zoll Durchmesser gibt durch 2 diametrale
fliegende Nonien 10 Sekunden, wovon die Hälfte noch gut
geschätzt werden kann. Das Instrument ist daher zum Messen
doppelter Zenithdistanzen sehr brauchbar, da es bei einigen Wiederholungen
wohl möglich ist Vertikalwinkel bis auf wenige Sekunden
genau zu erhalten.
Das Instrument kann in seinen Lagern umgelegt und sehr schnell
in beiden Lagen fixirt werden. Die Auslösung geschieht ganz einfach
durch das Zurückschlagen der stählernen Federn, welche die
Schraube des Noniusarmes einerseits, und die am Klemmhebel der
horizontalen Axe anderseits, an die Stahlzapfen des Fernrohrträgers
anpressen.
Die Schwankungen der vertikalen Axe und die dadurch nothwendige
Correction des vertikalen Winkels wird durch die am gusseisernen
Ständer befestigte Versicherungslibelle angegeben. Diese
Libelle kann auf Verlangen auch an dem Noniusträger angebracht und
zum Umlegen eingerichtet werden, wodurch etwaige Änderungen in
der Lage der Nonien, welche unabhängig von denen der vertikalen
Axe erfolgen können , ebenfalls angezeigt werden. Klemmung und
feine Einstellung für den Vertikalkreis an einem Ende der Axe ganz
in der Art wie beim Azimuthalkreise.
Das Fernrohr ist in der Mitte gebrochen, hat ein Objectiv
von 14 Zoll Brennweite, 15 Linien Öffnung und eine 28malige
Vergrößerung. Die Beleuchtung des Feldes geschieht durch eine
auf den Objectivkopf aufzusteckende elliptische Blendung.
Ganz nach Art des vorliegenden Instrumentes werden in der
Werkstätte des k. k. polytechnischen Institutes auch solche verfertiget,
bei denen der Horizontalkreis ebenfalls durch 2 Nonien von 10
zu 10 Sekunden getheilt ist, so dass das Instrument dann ganz die
Dienste eines astronomischen Theodolithen kleinerer Gattung (ohne
repetirende Kreise) versehen kann.
Ein gewiss auch zu berücksichtigender Punkt ist der, dass
der Preis dieses Instrumentes ein verhältnissmässig sehr niedriger
ist, indem ein Instrument wie das vorliegende auf 300 fl. und mit
Horizontalkreis von 10 zu 10 Sekunden auf «330 fl. zu stehen kommt.
STARKE G. 1858: Über ein kleines Passage- und Höhenmess-Instrument. welches in der Werkstätte des polytechnischen
Institutes verfertigt worden ist, in: Sitzngsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Classe
der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 31. Band, Sitzung vom
8. Juli 1858, Wien, 3-4
FELLÖCKER, P. Sigmund 1864: Die Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz
FRUHWIRTH, P. Kolumban 1866: Beiträge zum Tagebuch des Stiftes Kremsmünster im Auftrage des Hochw. Hr. Prälaten Augustin
Reslhuber geschrieben von P. Kolumban Fruhwirth, MS im Stiftsarchiv Kremsmünster
STARKE, G. 1860: Vertikalkreis für die Sternwarte zu Kremsmünster, Planzeichnung im Direktions-Archiv der Sternwarte
TINTER, Wilhelm Edler von Marienwil, 1884: Bestimmung der Polhöhe und des Azimuthes auf der Sternwarte Kremsmünster. (Mit 3 Holzschnitten), in: Denkschriften der Akademie der Wissenschaften. Math. Natw. Kl., Jg. 48/2, 193-248.