Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Juni 2016



Titelseite Kleyle
Titelseite von
F. J. Kleyle, Rückerinnerungen


Kremsmünster in den Rückerinnerungen von F. J. Kleyle


Eine weitere Reisebeschreibung soll hier der von Josef August Schultes angefügt werden. Sie stammt von Franz Joachim von Kleyle (1775-1854) in seinen Rückerinnerungen an eine Reise in Oesterreich und Steyermark im Jahre 1810. Ein Rezensent in den Göttingischen gelehrten Anzeigen bemerkt: Der Verf. gibt diese Reisebeschreibung hauptsächlich in der Absicht heraus, um die unrichtigen Ansichten und Schilderungen einiger neuern Reisenden über diese Gegend zu berichtigen, ohne alle feindselige Seitenblicke, bloß durch die einfache ruhige und parteylose Darstellung dessen was er sah und beobachtete.
Göttingische gelehrte Anzeigen, 381

Stadt Steyer den 18. September 1810.

Die Nacht hatte uns gestern nahe bey Kremsmünster überrascht; wir mußten daher heute die Frühstunden benützen, um dieses Stift mit seinen Merkwürdigkeiten zu besehen, und die schönen Ausssichten auf die mannigfaltigen reichen Umgebungen desselben zu genießen. Kremsmünster liegt nicht in einer Wildniß zur finstern Beschauung geeignet, aber auch nicht prahlerisch auf einem Berge, etwa zum Hohne der umliegenden Dürftigkeit; sondern einfach und heiter am Ufer der Krems, umgeben von einem großen Wohlstand verkündenden Markte, zwischen den segenreichen Fluren des fleißigen Landmanns. Wer sich zu einer freyern unbefangenen Ansicht des Lebens und der Geschichte zu erheben vermag, und nicht überall aus Absicht oder übler Laune nach Mängeln jagt, der wird hier, wo sich alles so fröhlich und reich um ein Kloster lagert, eher der Mönche gedenken, die in unserem Vaterlande zuerst die höhere Kultur des Geistes und des Bodens verbreiteten, als der finstern Verfolger und der Schmeerbäuche, die überall und zu allen Zeiten wohl auch außer den Klöstern, dem Beßern abhold waren und noch sind. Er wird die Unvollkommenheiten, welche einem solchen Institute, wie allen menschlichen Einrichtungen ankleben mögen, gerne mit Schonung behandeln, wenn er das Streben und Fortschreiten zum Guten mit unbefangenem Geiste betrachtet.

Kremsmünster hat einen astronomischen Thurm und zählt Astronomen von anerkanntem Rufe. Die Säle dieses schönen Gebäudes enthalten eine Sammlung von mathematischen und physikalischen Instrumenten und Apparaten, von historischen Denkmälern, Kunstwerken, und von Naturalien, die manche interessante Einzelheit enthalten, und nun auch gehörig geordnet sind. Es hat sich seit einigen Jahren unter den jungen Geistlichen ein stiller aber thätiger Verein zum Studium der Naturgeschichte und zur Sammlung der vaterländischen Naturproducte gebildet, der nach allem, was man bis itzt besonders im Felde der Entomologie sieht, wichtige Beyträge erwarten läßt. Eben so eifrig betreiben andere unter der Leitung von Veteranen in der Wissenschaft, Mathematik und Physik. So wird vielleicht einst Kremsmünster für die Natur Wissenschaften, was St. Florian für die Geschichte schon ist, und dazu ist es auch ganz eigentlich gelegen. Wer Sinn und Anlage für diese Wissenschaften hat, muß unwiderstehlich angezogen werden, wenn er die Natur so mit einem Blicke in ihrer Größe und Anmuth betrachten kann, wie hier von der Zinne des astronomischen Thurmes. Bey Tage ringsum in einem weiten Kreise die reichsten Fluren, und über die sanften Vorgebirge hinaus in der Ferne die hohe Gebirgsreihe vom Oetscher und dem Buchberge im Steyerthal, bis zu dem hohen Priel und dem Kasberg in einem entzückenden Bilde: bey der Nacht über ihnen die unendliche Schaar der Gestirne, und zur Betrachtung überall Mittel und Gelegenheit: wer könnte da noch zurückbleiben! Die eigenen Besitzungen des Stiftes reichen von dem Garten und Weizen-Felde stufenweise bis zu den kahlen Kalkfelsen und den Schneeflecken des Kasberges, und geben dem forschenden Geistlichen auf eigenem Boden die volleste Freyheit der Natur in ihren manigfaltigsten Werken auf die Spur zu gehen. Die Schulen, welche mit dem Convicte verbunden sind, machen es einigen, dabey als Lehrer der Naturgeschichte, Physik und Mathematik angestellten Geistlichen sogar zur Pflicht, Neigung und Gelegenheit zum Besten der Wissenschaft zu benützen.

Der Unterricht, welcher von den Stiftsgeistlichen ertheilt wird, erstreckt sich über die lateinischen Klassen und die Philosophie nach dem allgemein geltenden Schulplane für die österreichischen Erbstaaten. Die Zahl der Studierenden beläuft sich gewöhnlich gegen 200, die theils in dem Markte, theils in dem Convicthause des Stiftes untergebracht sind. Das Convict hat 60 Plätze, und darunter einige Freyplätze für Dänen und Schweden. Wir waren nicht in der Lage, über Unterricht und Behandlung der Zöglinge zu urtheilen, da noch Ferien dauerten, und außer einigen Schweden sich alle Zöglinge entfernt hatten: aber so viel müssen wir bezeugen, daß sie in ihren Zimmern Raum, Licht und Luft haben, wie man es nicht immer bey ähnlichen Anstalten findet. Eine Merkwürdigkeit eigener Art in diesem Stifte sind die steinernen Behältnisse für Fische, welche in einer Reihe hinlaufen, und vielleicht in Österreich nirgends so schön anzutreffen sind als hier. Jede Fischgattung hat einen viereckigen oben offenen Kasten, der mit einem auf Pfeilern ruhenden Dache versehen ist. Zwischen dem Dache und den, aus gehauenen Steinen zusammengesetzten Wänden des Kastens hat die Luft freyen Durchzug. Das Wasser wird in Röhren zugeführt, und läuft immer zu ab: es ist daher rein, frisch und klar.
KLEYLE, 206-210


Quellen und Literatur:


Göttingische gelehrte Anzeigen unter der Aufsicht der königl. Gesellschaft der Wissenschaften. Der erste Band auf das Jahr 1815, Göttingen, 381-383

KLEYLE, F. J. 1814: Rückerinnerungen an eine Reise in Oesterreich und Steyermark im Jahre 1810, Wien



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