Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

April 2018



Okular-Spectroscope
Okular-Spektroskop nach Zöllner verfertigt von M. Tauber in Leipzig
Messing, Stahl, Glas, Maße: 55 x 15 x 12 cm, in Holzkoffer
Inv. Nr.: 17111112
Foto: P. Amand Kraml


Protuberanzen-Spektroskop nach J. C. F. Zöllner


Mitte des 19. Jahrhunderts bekamen Astronomen Instrumente und Methoden an die Hand, die es ermöglichten über die klassische Astronomie der Astrometrie und Himmelsmechanik hinausgehend, auch physikalische Grundlagen der Himmelserscheinungen zu untersuchen. Eine solche Methode der neuen Astrophysik war die Spektroskopie. Hochauflösende Spektrographen erlaubten die Bestimmung von Elementen, die auf der Sonne und den Fixsternen vorhanden sind und gaben damit Aufschluss über die chemische Zusammensetzung der Gestirne. Mit Hilfe von Photometern ging man daran, die Helligkeitsverhältnisse der Fixsterne zu bestimmen. Besondere Bedeutung erlangte die Spektroskopie im Zusammenhang mit dem Dopplerschen Prinzip, wodurch die Bewegung der Fixsterne im All nun an Hand der Farbverschiebung gemessen werden konnte.
Einer, der sowohl für die Konstruktion von Photometern wie auch von Spektroskopen Neues brachte, war Karl Friedrich Zöllner (1834-1882). Gleichsam als Nebenprodukt seiner Arbeiten gelang es ihm, mit Hilfe eines Spektroskopes Protuberanzen der Sonnenoberfläche auch außerhalb der Zeit von Sonnenfinsternissen sichtbar zu machen. Bislang konnte man diese heftigen Materieströme, die von der Sonnenoberfläche einige hunderttausende Kilometer aufsteigen, nur während einer Sonnenfinsternis beobachten. Protuberanzen strahlen in nur wenigen eng abgegrenzten Licht-Frequenzen, die mit einem Spektroskop vom übrigen Sonnenlicht herausgefiltert werden können. Zöllner beobachtete viele Protuberanzen und veröffentlichte deren Bilder. Die Firma Merz in München wurde daraufhin beauftragt, ein spezielles Spektroskop für Sonnenprotuberanzen zu entwickeln, welches in der Folge dann von dem Leipziger Optiker M. Tauber gefertigt wurde. Im Februar 1869 stellte Zöllner sein neues Gerät in einem Vortrag an der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften vor.

Unser Protuberanzen-Spektroskop stammt aus einer Erbschaft und wurde bei uns nie wissenschaftlich verwendet. Für kleine Sternwarten wie der unseren waren die Forschungsbereiche der Astrophysik durchwegs zu kostspielig, so dass man sich weiterhin hauptsächlich der Astrometrie widmete, wofür der 1906 begonnene Bau des neuen Meridianhauses Zeugnis ablegt.


Quellen und Literatur:


CALISI, Marinella 2009: The Origins of Astrophysics, in: Astrum 2009. Astronomy and Instruments, Italian heritage four hundred years after Galileo, Vaticano, 197-221

HERRMANN, Dieter B. 1982: Karl Friedrich Zöllner, Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner, Bd. 57, Leipzig

HIRZEL, H. & GRETSCHEL, H. (Hrsg.) 1870: Jahrbuch der Erfindungen und Fortschritte auf den Gebieten der Physik und Chemie, der Technologie und Mechanik, der Astronomie und Meteorologie, 6. Jg., Leipzig

KNOTT, Robert 1900: Zöllner, Johann Karl Friedrich, in: Allgemeine Deutsche Biographie 45 (1900), S. 426-428

MEINEL, Christoph 1991: Karl Friedrich Zöllner und die Wissenschaftskultur der Gründerzeit. Eine Fallstudie zur Genese konservativer Zivilisationskritik, in: BBGNT, Berliner Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften und Technik, 13, Berlin

PIGATTO, Luisa 2009: The Total Eclipse of the Sun on December 22, 1870: the First Scientific Expedition of the New Kingdom of Italy, in: Astrum 2009. Astronomy and Instruments, Italian heritage four hundred years after Galileo, Vaticano, 78-81

SCHUSTER, Peter Maria & WILMES, Lily 2016: Unfassbare Strahlung – Werdegang zur Modernen Physik. ECHOPHYSICS – Europäisches Zentrum für Physikgeschichte, Schloss Pöllau, Österreich, 2. Aufl., Pöllauberg

ZÖLLNER, J. C. F. 1869: Ueber ein neues Spectroskop nebst Beiträgen zur Spectralanalyse der Gestirne, Abdruck aus den Berichten der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Sitzung vom 6. Febr. 1869

ZÖLLNER, J. C. F. 1869: Ueber ein neues Spectroskop nebst Beiträgen zur Spectralanalyse der Gestirne, in: Sirius. Zeitschrift für populäre Astronomie Hrsg. Rudolf Falb, II. Bd, 158-159, 162-163, 169-172

ZÖLLNER, F. 1869: Ueber ein neues Spectroskop nebst Beiträgen zur Spectralanalyse der Gestirne, in: Poggendorff, J. C. [Hrsg.] Annalen der Pyhsik und Chemie, 5. Reihe 18. Bd. (= Bd. CXXXVIII), Leipzig, 32-44

ZÖLLNER, F. 1874: Ueber ein einfaches Ocularspectroskop für Sterne, in: Berichte der Kön. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, Mathematisch-Physische Classe, Leizpig, Sitzung vom 23. April 1874



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(c) P. Amand Kraml 2018-05-20
Letzte Änderung: 2021-09-16