Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Oktober 2018



Reißbrett
Reißbrett und Reißschiene zum Erstellen von Sternkarten
Holz (Birne), Messing, Stahl, Silberskalen, Größe der Platte: 49 x 44 cm
Inv. Nr. 17120201
Foto: P. Amand Kraml


Spezielles Reißbrett zur Erstellung von Sternkarten


Als Adjunkt der Kremsmünsterer Sternwarte besuchte P. Sigmund Fellöcker im September 1842 die Berliner Sternwarte und wurde dabei von Direktor Johann Franz Encke eingeladen, die Bearbeitung der Zone VII. Uhr der Akademischen Sternkarte, die Encke seit 1825 herausbrachte, zu übernehmen. Unter P. Marian Kollers Leitung führte Fellöcker das ihm übertragene Blatt samt dem dazugehörenden Katalog von 1843 bis 1847 aus. Es wurde 1848 im Rahmen des Sternkatalog-Projektes der königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin veröffentlicht.

Die Karte umfasst den Theil des Himmels zwischen 6h56m bis 8h4m gerader Aufsteigung und 15° südlicher bis 15° nördlicher Abweichung, eine der sternreichsten Gegenden des Himmels. Es sind darauf 2374 beobachtete Sterne (aus den Königsberger Zonen von Bessel 2037, aus Lalande's „Histoire céleste" 822, aus Piazzi's Catalog 94, aus Bradley's „Fundamenta Astronomiae" 37) und 3228 durch Schätzung eingetragen. (FELLÖCKER 1864, 289 u. 303)

Für die Beobachtung war von der Akademie der Wissenschaften in Berlin ein Kometensucher von Fraunhofer mit einer Öffnung von 34 Linien und 10facher Vergößerung vorgegeben, wie ihn P. Bonifaz Schwarzenbrunner 1825 in München bestellt hatte und den P. Marian Koller 1835 in geeigneter Form montieren ließ. (vgl. ENKE & DOVE, VI)

Eine Beschreibung mit beigegebener Zeichnung des Reißbrettes gibt Carl August von Steinheil in den Astronomischen Nachrichten Nr. 93.

Anlässlich der Übergabe des Blattes an die Akademie der Wissenschaften in Wien hielt P. Marian Koller einen Vortrag, der hier aus den Sitzungsberichten wiedergegeben sei:

Das wirkliche Mitglied Herr Sectionsrath M. Koller hielt nachfolgenden Vortrag:
Ich gebe mir die Ehre, einer hochverehrten Akademie im Namen des Adjuncten der Sternwarte in Kremsmünster, Sigismund Fellöcker, die akademische Karte Hora VII. zu überreichen, und erlaube mir, einige Worte beizufügen.
Die königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin lud die Astronomen und Freunde der Astronomie i. J. 1825 ein, einen vollständigen Atlas der Zone der Himmelssphäre von 15° nördl. bis zu 15° südl. Abweichung zu entwerfen. In die Blätter dieses Atlasses, wovon jedes eine Stunde in gerader Aufsteigung umfassen soll, sind nach dem Antrage der Akademie alle Sterne aufzunehmen, welche mit einem Kometensucher von Fraunhofer von 34 Linien Oeffnung und 10 maliger Vergrösserung noch gesehen werden können.

Reissschiene
Stichel zum Markieren der beobachteten Sternörter auf der Kartenvorlage
Foto: P. Amand Kraml
„Bei dieser Ausführlichkeit werden die Karten, wie die Akademie in ihrer Kundmachung bemerkt, nicht nur eine genaue Kenntniss des Himmels ermöglichen und viele astronomische Beobachtungen erleichtern, sondern auch das wahre Mittel darbieten, die Kenntniss unseres Sonnensystemes durch Entdeckung neuer Planeten zu erweitern, sie werden diese sogar sicher herbeiführen können , während ohne specielle Himmelskarten nur ein günstiger Zufall die Auffindung veranlassen kann."
Ungeachtet erst zwei Drittheile der ganzen Arbeit, nämlich 16 Stunden vollendet sind, so ist bereits diese Erwartung der königl. Akademie auf eine erfreuliche Weise erfüllt worden.
Der eifrige Durchforscher der Sternenwelt, Hencke in Driesen, sah am 8. December 1845 an einer ihm wohlbekannten Stelle des Himmels einen Stern 9'" Grösse , den er bei früheren Durchforschungen nie dort bemerkte; die akademische Karte Hora IV, von Professor Knorre, enthielt ihn ebenfalls nicht, jedoch konnte er mittelst dieser Karte, indem er die Lage dieses Sternes gegen seinen nächsten in der Karte verzeichneten verglich, genau angeben und mittelst dieser Angabe und Knorre's Karte fand Encke in Berlin 6 Tage später denselben Stern wieder, jedoch in einer anderen Stelle, und so war der Planet „Astraea" entdeckt. Le Verrier in Paris forderte im September 1846 durch ein Schreiben Dr. Galle in Berlin, welches dieser am 23. September erhielt, auf, seinen durch die Rechnung, die er auf die Abweichung des Planeten Uranus gründete , geforderten und theoretisch bestimmten Planeten am Himmel aufzusuchen. Denselben Abend verglich Galle die vortreffliche akademische Karte, welche Dr. Bremiker gezeichnet hatte, Hora XXI, mit dem Himmel, und fand den theoretisch bestimmten Planeten „Neptun" sehr nahe an der von le Verrier vorausberechneten Stelle.
Am 1. Juli 1847 wurde die Aufmerksamkeit desselben Beobachters auf ein Sternchen der 9. Grösse geleitet, welche Dr. Bremiker's akademische Karte, Hora XVII, nicht auswies, und Hencke vermuthete nicht ohne Grund ein neues Geschwister der Asteroiden gefunden zu haben. Galle in Berlin bestätigte am 5. Juli desselben Jahres mit Hilfe dieser Sternkarte diese Vermuthung und die Entdeckung des Planeten „Hebe" war hiemit constatirt.
Eben so führte Dr. Wolfer's akademische Karte, Hora XIX, den Astronomen Hind in London am 13. August 1847 zur Entdeckung der „Iris", und Knorre's schon oben erwähnte Karte, Hora IV, am 18. October desselben Jahres zur Entdeckung des Planeten „Flora."
Das Jahr 1847 brachte uns demnach 3 neue Planeten.
Im Jahre 1848 den 25. April entdeckte Graham den Planeten „Metis". Die näheren Umstände dieser Entdeckung sind zwar nicht angegeben, jedoch fällt der Stand desselben in die Karte Hora XIV, und jedenfalls wurde dieser Planet mit der Hilfe der akademischen Karten wieder aufgefunden und als solcher erkannt.
Auch das letzt verflossene Jahr lieferte uns einen neuen Planeten. Gasparis in Neapel entdeckte am 12. April, als er den Himmel mit der akademischen Karte, Hora XII, welche unser verehrter Herr College Steinheil entworfen, verglich, den Planeten „Hygea".
So hat denn in Zeit von drei Jahren und weniger (nahe vier) Monate, der Fleiss der Beobachter des Himmels, verbunden mit der Beihilfe der akademischen Karten zur Entdeckung von sieben neuen Planeten unseres Sonnensystems geführt.
Was insbesondere die Karte betrifft, welche ich hiemit zu überreichen die Ehre habe, so ist sie mit lobenswerthem Fleisse und Genauigkeit durchgeführt, was um so verdienstlicher ist, als die günstige Zeit zur Verificirung und Vervollständigung derselben, durch Vergleichung mit dem Himmel, in die kälteste Jahreszeit, in die Monate December und Jänner fällt.


Quellen und Literatur:


BESSEL 1826: Einige Bermerkungen über die Entwerfung der vollständigen Himmelskarten (A. N. Nr. 88), in: Astronomische Nachrichten, Vierter Band, Nr. 93, Altona 437-444

BESSEL, F. W. Vorbericht, in: KÖNIGL. AKADEMIE der Wissenschaften zu Berlin [Hrsg.] 1859: Cataloge zu den 24 Stunden der Akademischen Sternkarten für den Gürtel des Himmels von 15° südlicher bis 15° nördlicher Abweichung bearbeitet von verschiedenen Astronomen, Berlin, III-V

ENKE & DOVE 1959: Vorbericht, in: KÖNIGL. AKADEMIE der Wissenschaften zu Berlin [Hrsg.] 1859: Cataloge zu den 24 Stunden der Akademischen Sternkarten für den Gürtel des Himmels von 15° südlicher bis 15° nördlicher Abweichung bearbeitet von verschiedenen Astronomen, Berlin, V-XIII

FELLÖCKER, Sigmund 1848: Verzeichniss der von Brandley, Piazzi, Lalande und Bessel beobachteten Sterne, in dem Theile des Himmels zwischen 6h 56' bis 8h 4' gerader Aufsteigung, und 15° südlicher bis 15° nördlicher Abweichung berechnet und auf 1800 reduziert. Akademische Sternkarten, Zone VII. Uhr. Blatt 8, Berlin

FELLÖCKER, P. Sigmund 1864: Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz

KOLLER, Marian 1850: Vortrag über Fellöcker's Sternkarte, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, IV. Bd. Wien, 35-37

KÖNIGL. AKADEMIE der Wissenschaften zu Berlin [Hrsg.] 1859: Akademische Sternkarten für den Gürtel des Himmels von 15° südlicher bis 15° nördlicher Abweichung nach Bessel's Vorschlag entworfen von verschiedenen Astronomen, Berlin

KÖNIGL. AKADEMIE der Wissenschaften zu Berlin [Hrsg.] 1859: Cataloge zu den 24 Stunden der Akademischen Sternkarten für den Gürtel des Himmels von 15° südlicher bis 15° nördlicher Abweichung bearbeitet von verschiedenen Astronomen, Berlin

STEINHEIL, C. von 1826: Beschreibung eines Apparats, welcher zur Einzeichnung der astronomisch bestimmten Sterne, in die vollständigen Himmelskarten (A. N. Nr. 88) angewandt worden ist, in: Astronomische Nachrichten, Vierter Band, Nr. 93, Altona 443-446



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(c) P. Amand Kraml 2018-09-28
Letzte Änderung: 2021-09-16