Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Jänner 2021

Unterschrift P. Pius Titius
Brief-Ende des Briefes von P. Pius Titius an Abt Augustin Reslhuber vom 6. Jänner 1867 mit Unterschrift
Foto: P. Amand Kraml


Der Naturforscher P. Pius Titius zu Besuch



Der Absender dieses Briefes ist ein etwas in Vergessenheit geratener Naturforscher der österreichischen Monarchie. Der Brief stammt von dem Minoritenpater Pius Titius, der im Schuljahr 1865/66 das Stift für einige Tage besuchte, die vorhandenen Meeresalgenbestände revidierte und dann darauf eine beachtliche Anzahl verschiedener Meerestiere und Meeresalgen aus dem adriatischen Meer übersandte.

In den Gymnasialprogrammen der Jahre 1866 und 1867 wird uns darüber berichtet:

...und der bekannte Naturforscher P. Pius Titius zu Pirano, welcher einen großen Theil seines Lebens der Erforschung der Algen des adriatischen Meeres gewidmet, hatte die Gefälligkeit, bei seinem mehrtägigen Aufenthalte im Stifte die 103 Species dieser Algen genauer zu bestimmen und charakterisiren. (Gymnasialprogramm 1866, 53)

Die zoologische und die botanische Sammlung endlich erhielten, durch den bereits oben erwähnten Liberalismus des Herrn Abtes und die gefällige Vermittlung des im vorigsjährigen Programme bereits erwähnten P. Pius Titius zu Pirano, erstere eine Vermehrung von 146 Species verschiedener Thiere, letztere von 270 Species von Algen und Tangen aus dem adriatischen Meere. Die 146 Thierarten umfassen 15 Species Fische und 71 Species Krebse aus dem adriatischen Meere; 2 Species Spinnen aus Italien; endlich 25 Species Würmer, 24 Species Weichtiere und 9 Species Strahltiere. (Gymnasialprogramm 1867, 61)

P. Pius Titius (1801-1884) stammt ursprünglich aus dem damals ungarischen Jászó - heute Jasov im Osten der Slowakei. Er schloss sich dem Orden der Minoriten (OFMconv) an, wurde als Gymnasiallehrer eingesetzt und 1838 zog man ihn zum Dienst als Militärkaplan ein. Als solcher war er bis 1852 im Einsatz. Die Jahre von 1846 bis 1851 brachten ihn in dieser Aufgabe nach Split. Dieser Ort war natürlich für den Interessierten eine hervorragende Gelegenheit, sich mit den Meeresorganismen der Adria zu beschäftigen, sie zu sammeln und zu präparieren. Aus dem Militärdienst ausgeschieden, kam er als Apostolischer Pönitentiar nach Rom und dann als Professor der Pastoraltheologie nach Padova. Das Jahr 1859 brachte ihn mit dem offiziellen Empfehlungsschreiben dazu, "die Küsten des adriatischen Meeres zu dem Zwecke zu besuchen und zu bereisen, um dort botanische und zoologische Objekte zu sammeln". (vgl. Brief des Ministeriums für Kultus und Unterricht, BATTELLI, Abb. 3)
So kam P. Pius in den Minoriten-Konvent nach Piran (italienisch Pirano) und lebte dort bis 1870. In diese Zeit fällt also auch sein Besuch in Kremsmünster. Ein interessanter Brief vom 6. Jänner 1867 an Abt Augustin Reslhuber als Direktor der Sternwarte ist in der Reslhuber-Korrespondenz im Direktions-Archiv der Sternwarte erhalten.
Daraus erhellt sich, dass P. Pius wohl über den Kontakt mit dem bekannten Kremsmünsterer Kryptogamenforscher, dem Stifts- und Konviktsarzt Dr. Ignaz Sigismund Pötsch, mit den Sammlungen der Sternwarte in Kontakt kam. Titius schildert im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, die er mit dem Erhalt seines Honorars aus Kremsmünster hatte, dass er nach seiner neunmonatlichen Reise in Triest am 3. Jänner 1867 beraubt wurde.

Die Jahre 1870 bis 1881 musste Titius nach Ungarn (Békéscsaba, Gerla) zurück. Erst nach 11 Jahren kam er nach Piran zurück um dort bis zu seinem Tode zu bleiben.


Quellen und Literatur:


ANONYMUS 1866: Lehrmittelsammlungen, in: Programm des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1866, Linz, 53

ANONYMUS 1867: Lehrmittelsammlungen, in: Programm des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1867, Linz, 60-61

ALBERTI, G & BATTELLI, C. 2002: Un naturalista tra i Frati Minori Conventuali del convento di San Francesco a Pirano: Padre Pio Titius (1801-1884), in: Atti del Museo Civico di Storia Naturale, Vol. 49, Trieste, 213-239

BATELLI, Claudio & NOVAK, Špela 2016: Zbirke alg patra Pija Titiusa Vendela (1801-1884) in druge herbarijske zbirke alg v Prirodoslovnem muzeju Slovenije, in: Scopolia. Revija Prirodoslovnega muzeja Slovenije 87, Ljubljana

FRAUENFELD, G. 1854: Aufzählung der Algen der dalmatinischen Küste, nach einer Sammlung des Hrn. V. Vidovich in Sebenico, vermehrt mit betreffenden Arten meines Herbars, und der im Vereinsherbar von Hrn. P. Titius befindlichen Sammlung, mit Benützung der daselbst beigegebenen Notizen. Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereins in Wien 4, Wien, 317-350

FRAUENFELD, G. 1855: Die Algen der dalmatischen Küste mit Hinzufügung der von Kützing im adriatischen Meere überhaupt aufgeführten Arten. Mit Darstellung eines Theils derselben im Naturselbstdruck, Wien

TITIUS, P. 1859: Besprechung einiger Funde im adriatischen Meere. Verhandlungen der Kaiserlich- Königlichen Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, 9, Wien, 81

VÖRÖSS, László Zsigmond 1972. - Titius Pius Vendel (1801-1884) élete es munkassága. Das Leben und die Tätigkeit von Pius Vendel Titius (1801-1884), in: Botanikai Közlemények, Bd. 59, Heft 3, Budapest, 141-143.



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Letzte Änderung: 2021-09-16