Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

November 1999



Wachspilzsammlung
Pilzsammlung aus Wachs
Foto: P. Amand Kraml

Pilzsammlung aus Wachs von Leopold Trattinnick

Leopold Trattinnick wurde 1765 in Klosterneuburg geboren. 1806 wurde er Landes-Phytograph von Niederösterreich, 1808 Kustos am k. k. Hof-Naturalien-Kabinett in Wien. Trattinnick veröffentlichte mehrere mykologische Werke und gab dazu Sammlungen von Wachsnachbildungen der Pilze heraus. Das Mycologische Cabinett steht im Zusammenhang mit den Fungi Austriaci. Eine zweite Sammlung wurde mit den Eßbaren Schwämmen verkauft. Das Mycologische Cabinett ist offensichtlich mit arabischen Ziffern (1-42) durchnummeriert, die zweite Sammlung mit Buchstaben (A-FF) gekennzeichnet.
Als Verfertiger der Wachsmodelle - zumindest für das Jahr 1806 - konnte Lohwag (1935, S. 217-218) die beiden Wachsbossierer Stoll und Jaig ermitteln.

Nach einem Brief vom 1817/02/03 im Archiv der Sternwarte kaufte einer unserer Patres 42 Stück dieser Wachsmodelle zum Preis von 84 fl. bei einem Linzer Händler. 37 Stück sind davon noch erhalten und im Hohen Saal der Sternwarte ausgestellt. Sie sind mit Nummern den Fungi Austriaci zugeordnet

Erhalten sind bei uns ebenfalls die beiden Publikationen: Fungi Austriaci von 1805 (beschrieben sind darin 30 Nummern; die Tafeln dazu sind nicht vorhanden) und Die eßbaren Schwämme des Österreichischen Kaiserstaates von 1809 (hier sind die Kupferstiche beigebunden)

Nach Lohwag sind an folgenden Institutionen weitere Trattinnick-Sammlungen erhalten:

(vgl. Lohwag, Kurt 1937, 137-138) Unsere Sammlung war Lohwag nicht bekannt.

Über die Wachsbossierer Stoll und Jaig können wir hier noch Einiges aus den Bemerkungen auf einer Reise aus Thüringen nach Wien im Winter 1805 bis 1806 von Carl Bertuch zur Kenntnis bringen:

Im Hause des Herrn Boos fanden wir die geschickten Wachs=Bossirer, Stoll und Jaig. Sie giengen auf höchsten Befehl nach Florenz, wo sie unter Fontana nach den dortigen berühmten Wachs=Präparaten arbeiteten. Sie fertigten die Sammlung der saftigen Pflanzen (Plantae succulentae), welche in natürlicher Größe in Blumen-Aeschen in dem Wiener K. K. Naturalien=Cabinet aufgestellt sind, und die Natur auf das täuschendste nachahmen. Jetzt arbeiten diese keroplastischen Künstler an der Sammlung der österreichischen Schwämme, welche Dr. Trattinik herausgiebt.

(Bertuch, 128-129)

Das letzte Zimmer enthält vortreffliche und diesem Cabinette allein eigne Nachbildungen seltner Saft=Pflanzen (Plantae succulentae, welche man in den Herbarien nicht trocknen kann) in ihrer natürlichen Größe und Färbung in Wachs. Sie stehen in Aeschen auf Blumengestellen, und sind von den im vorigen Briefe erwähnten geschickten Wachsbossirern Jaig und Stoll verfertigt worden. Ihre Zahl beläuft sich jetzt auf 89. So erblickt man von den Geschlechtern, Caetus, Stapelia, Crinum, Magnolia, Aloe, die schönsten Exemplare in voller Blüte, wo außer dem Geruch die Täuschung auf das höchste getrieben worden ist. Ferner sind die von denselben Künstlern bearbeiteten Schwämme, welche der Dr. Leopold Trattinick*) herausgiebt, so wie Früchte von Wachs ausgestellt. - Man kann nicht Naturgetreueres sehen, als diese Wachsarbeiten. Diesem Material kann man durch Zusätze aller möglichen Farbemischungen, so wie die verschiedenen Abstufungen der Durchsichtigkeit geben; auch die feinsten Theile der Naturkörper lassen sich hierin auf das treueste ausdrücken. Für das Nachbilden der Pflanzen, Amphibien, Insecten, Fische, vielleicht selbst von Mineralien ist daher das Fach der Kunst-Wachsarbeit oder Keroplastik äußerst wichtig und jedes große naturhistorische Museum sollte Künstler dafür haben. So könnten die seltensten ausländischen Fische, Amphibien*) u. s. w. vervielfacht werden, wovon die meisten in Weingeist aufbewahrt, sich so gänzlich verändern. Auch die besten colorirten Abbildungen in Kupfer halten mit diesen Wachs=Nachbildungen keine Vergleichungen aus, da auch die vollkommensten nur schwache Andeutungen der Natur sind. Es ist sehr zu wünschen, daß die trefflichen Künstler Jaig und Stoll, unterstützt von dem humanen Kaiser Franz, eine eigene keroplastische Schule der Naturkunde bilden mögen, um durch geschickte Schüler ihre schönen Arbeiten auch außer der Botanik auf andere Zweige der Naturkunde zum Besten der Kaiserlichen Kabinette ausbreiten zu können.



*) Dieser verdienstvolle Botaniker giebt auch einen Thesaurus botanicus heraus, worin er nur neue, seltene, bisher schlecht abgebildete Pflanzen liefert.

*) Wie trefflich müßte sich z. B. die schöne gehörnte Kröte (Rana cornuta) aus Brasilien, wovon uns Tilesius in den Abhandlungen naturforschender Freunde in Berlin, die erste richtige Abbildung gegeben hat, in Wachs ausnehmen!

(Bertuch, 147-150)


Quellen und Literatur:


ANONYMUS 1810: Leopold Trattinik, in: Verterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat, 3. Jg. Nr. XIII, 19. Juni 1810, Wien, 133-134

BAUER, Wilhelm, 1979: Leopold Trattinnicks Schwammbücher und Wachsmodelle, in: Amtsblatt der Stadtgemeinde Klosterneuburg, Sonderbeilage Nr. 104, Klosterneuburg

BAUER, Wilhelm, 1980: Der Klosterneuburger Botaniker Leopold Trattinnick (1764-1849) und die Trüffel, in: Amtsblatt der Stadtgemeinde Klosterneuburg, Sonderbeilage Nr. 111, Klosterneuburg

BERTUCH, Carl, 1810: Bemerkungen auf einer Reise aus Thühringen nach Wien im Winter 1805 bis 1806, Zweiter Heft. Weimar

KROMBHOLZ, J. V., 1831: Naturgetreue Abbildungen und Beschreibungen der eßbaren, schädlichen und verdächtigen Schwämme, Prag 1831

LOHWAG, Kurt, 1935: Das mycologische Wachsfigurenkabinett und die "Pietra fungaja", in: Österr. botan. Zeitschrift, 84/3, Wien, 210-218

LOHWAG, Kurt, 1937: Trattinnicks Pilz-Wachsmodelle. Eine Ergänzung zu meiner Arbeit: Das mykologische Wachsfigurenkabinett und die "Pietra fungaja", in: Österr. botan. Zeitschrift, 86/2, Wien, 131-145

REILING, Henri, 2003: Beter dan de natuur, in: NEO, centraal museum, Amsterdam, 221-235

SPREITZER, Hans, o. J. [1978]: Trattinnicks Pilz-Wachsmodelle in Kremsmünster. Eine Ergänzung zu den Arbeiten Kurt LOHWAGs (Wien), Amstetten [Typoskript in der Bibliothek der Sternwarte]

TRATTINNICK, Leopold, 1804-1806: Fungi Austriaci ad specimina viva cera expressi, descriptiones ac historiam naturalem addidit - Österreichs Schwämme nach lebendigen Originalen in Wachs ausgearbeitet mit Beschreibung und einer ausführlichen Naturgeschichte, Wien

TRATTINNICK, Leopold, 1805..: Fungi Austriaci, iconibus illustrati. Descriptiones ac historiam naturalem completam - Österreichs Schwämme, in fein ausgemahlten Abbildungen dargestellt. Mit Beschreibung und einer ausführlichen Naturgeschichte, Wien (ist 1830 in einer Neuauflage erschienen)

TRATINNICK, Leopold, 1809: Die eßbaren Schwämme des Österreichischen Kaiserstaates, Wien und Triest

TRATTINNICK, Leopold, 1830: Fungi Austriaci delectu singulari iconibus XL observationibusque illustrati - Österreichs Schwämme in einer Auswahl durch 40 Abbildungen und Beobachtungen beleuchtet, Wien


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