aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
November 2001
Tanzende Venus vom Galgenberg |
Objektbeschreibung: Jungpaläolithische Frauenstatuetten Venus vom Galgenberg Halbplastik aus Amphibolit, chloritisiert Größe: 72 mm, Gewicht: 10 g Fundort: Stratzing, NÖ Datierung: Aurignacien Bem.: Original im Naturhistorischen Museum Wien; Lit.: Chr. Neugebauer-Maresch, Vorbericht über die Rettungsgrabungen an der Aurignacien-Station Stratzing/ Krems-Rehberg in den Jahren 1985 1988. Zum Neufund einer weiblichen Statuette. Fundber. Öster. 26, 1987 (1988), 73 ff.
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Im prähistorischen Raum, 1. Stock, der auch eine Vitrine zur Hominisation und zwei Vitrinen mit neolithischen Funden aus unserem Raum sowie eine "Hallstatt-Sammlung" (vor Ramsauer) enthält, finden sich eine ausgezeichnete Replik dieser Figur und in zwei Vitrinen Hinweise auf das archäologische Umfeld und weitere Funde in Stratzing-Rehberg. Das Original befindet sich in der Verwaltung des Naturhistorischen Museums in Wien.
An die Tänzerin Fanny Elßler (+1884 in Wien) erinnerte sich Dr. Christine Neugebauer-Maresch, als sie 1986 auf einem Weingut im Besitz des Stiftes Kremsmünster in Stratzing/Krems-Rehberg einige Schieferstückchen sah, die sie im Laufe einer Grabungskampagne auf diesem Feld gefunden hatte. Die archäologischen Grabungen wurden auch im folgenden Jahr fortgesetzt und brachten neben einer großen Menge von Schnittwerkzeugen eine Feuerstelle und Hinweise auf eine Behausung (Pfostenmale) hervor. Die Radiocarbondatierung für die eine weibliche Figur darstellenden Schieferstückchen ergaben eine Altersbestimmung von 30.000 - 32.000 v. Chr.
Unter dem Namen "Venus vom Galgenberg" ist die Halbplastik aus grünlichem Schiefer (Amphibolit, chloritisiert) in die Fachwelt eingeführt worden. Die Interpretation durch Neugebauer-Maresch stützt sich auf zwei Fakten: Die Darstellung einer Frau und die einer Bewegung (bzw. Haltung).
Darstellung aus der Hand des Eiszeitmenschen
(aus Neugebauer-Maresch, 1992, 16-18)
Seit dem Auftreten des Homo sapiens um ca. 40.000 v. Chr. lassen sich Relikte finden, die von uns als "Kunstobjekte"
bezeichnet werden. Zumeist sind es Menschen- und Tierdarstellungen sowie abstrahierte Ornamente. Sie reichen von
Rundplastiken über Reliefs bis zu Zeichnungen und Malereien. Von besonderer Bedeutung sind die südfranzösischen
und spanischen Bilderhöhlen; die zumeist tief im Höhleninneren aufgebrachten Malereien sind von hervorragender Qualität.
Zum größten Teil müssen sie dem kultisch-religiösen Lebensbereich des Eiszeitmenschen zugeschrieben
werden. Die Summe der Darstellungen lässt auf eine geistige Konzeption schließen, die Welterklärungen sucht,
die sich zwischen Mensch und Tier und um das Tier bewegen. Der bekannte Steinzeitforscher H. Müller-Beck schreibt dazu:
"Dahinter verbergen sich erfahrene Wirklichkeiten, die vom Tier über den Menschen bis in das nicht mehr Sichtbare weisen:
die Welt der kleinen Kräfte, die noch magisch beeinflussbar scheinen, und die der höheren, übermächtigen
Kräfte, die der Mensch nicht mehr steuern kann und aus denen nach langer Zeit zunächst Geister und Götter
wurden (...)". (S. 20)
Die Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier scheint auch durch Darstellungen von Wesen verkörpert, die die Verschmelzung der Attribute beider wiedergeben. Auch heute noch ist es bei Naturvölkern üblich, der Tierwelt eigenes seelisches Leben zuzuerkennen. Dies gilt als ältestes und gemeinsames Merkmal des Schamanismus. In den Mythen der Völker aller Kontinente, in den Sagen, Fabeln und auch in unseren Märchen finden wir die Schilderung von Tieren, die sich in Menschen verwandeln und umgekehrt.
Die noch sehr wenig bekannten ältesten menschengestaltigen Plastiken gehören dem Aurignacien an, sind meist Elfenbeinschnitzereien und stammen - mit Ausnahme der Statuette vom Galgenberg - aus Höhlen der Schwäbischen Alb: das kleine Relief aus dem Geissenklösterle, die große Löwen(-innen)-Mensch-Figur auf dem Hohlenstein-Stadel, und eine mehr stilisierte Plastik aus dem Vogelherd.
Ab dem Gravettien kennen wir ungleich mehr dieser Darstellungen. Sie sind aus Mammutelfenbein, Knochen oder Geweih, verschiedenen Gesteinen oder sogar gebranntem Lehm gefertigt. Es ist auffällig, dass nahezu in ganz Europa relativ einheitlich geartete Frauenplastiken zu finden sind, sodass man von einem regelrechten "Statuetten-Horizont" spricht. Allgemein werden sie mit Fruchtbarkeitsvorstellungen und Begriffen wie Urmutter, Große Mutter und Gebärerin in Zusammenhang gebracht. Die bekannteste Vertreterin dieser Frauenfiguren mit stark betonten weiblichen Geschlechtsmerkmalen ist die Venus von Willendorf.
BRANDTNER, Friedrich 1990: Stand der Paläolithforschung in Niederösterreich. Vortrag gehalten auf der Niederösterreich-Tagung der Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Asparn/Zaya, Mannus, Bonn und Wien, 45-58
Brandtner F., Stand der Paläolithforschung in Niederösterreich, Mannus, Bonn und Wien 1990, 43 - 58
KRINZINGER, P. Jakob 1989: Fanny - nicht Venus, in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster, 132. Jahresbericht, 123
MÜLLER-BECK, H. 1987: Die Anfänge der Kultur vor 30.000 Jahren, Stuttgart
NEUGEBAUER-MARESCH, Christine 1988: Vorbericht über die Rettungsgrabungen an der Aurignacien-Station Stratzing/
Krems-Rehberg in den Jahren 1985 1988. Zum Neufund einer weiblichen Statuette, in:
Fundber. Öster. 26, 1987, 73 ff.
NEUGEBAUER-MARESCH, Christine 1989: Die Archäologischen Ausgrabungen auf dem Galgenberg von Stratzing und Krems-Rehberg und die Auffindung der 30.000 Jahre alten "Tanzenden Venus", in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster, 132. Jahresbericht, 124-126
NEUGEBAUER-MARESCH, Christine 1989: Zum Neufund einer weiblichen Statuette bei den Rettungsgrabungen an der Aurignacien-Station Stratzing/Krems-Rehberg, Niederösterreich, in: Germania 67, 551ff.
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